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Von – 3. Juli 2014

Lasche Ermittlungen

Kann es sein, dass belastende Unterlagen auf mysteriöse Weise verschwinden, Berge von Akten versehentlich im Schredder landen, sich also in deutschen Behörden über Jahre hinweg eine Panne nach der anderen ereignet? Wolf Wetzels Antwort ist ein klares Nein, er glaubt, dass Absicht dahinter steckt. In Rödelheim stellte der Frankfurter Publizist sein Buch „Der NSU-VS-Komplex“ vor.

Wolf Wetzel bei seinem Vortrag in Rödelheim. Foto: Rolf Oeser

Wolf Wetzel bei seinem Vortrag in Rödelheim. Foto: Rolf Oeser

In seinem Buch zeichnet Wetzel Verflechtungen zwischen staatlichen Behörden und den Morden der rechtsradikalen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ nach. Der Vortrag in der Stadtteilbibliothek fand im Rahmen einer Ausstellung über „Neofaschismus in Deutschland“ statt, die unter anderem auch vom „Studienkreis Deutscher Widerstand 1933– 1945“ sowie von „RaUM“, der Jugendarbeit der Cyriakusgemeinde, organisiert wurde.

Die Vielzahl an Indizien, die für eine enge Verflechtung von NSU und Verfassungsschutz sprechen, habe ihn selbst überrascht, sagte Wetzel. Aus etlichen Dokumenten gehe hervor, dass man bei den neun NSU-Morden „vorsätzlich in die falsche Richtung ermittelte und die wahren Täter nicht sehen wollte“. Die „Pannentheorie“ sei „auf höchster Stelle in den Ministerien der Länder aufgestellt“, glaubt Wetzel.

Bei seinen Recherchen konzentrierte er sich vor allem auf die Ermordung des 21 Jahre alten Internetcafé-Betreibers Halit Yozgat in Kassel. Zu diesem Fall fielen Wetzel Protokolle von abgehörten Telefonaten in die Hände, die seiner Ansicht „das staatliche Nichtstun und die Mitarbeit des Verfassungsschutzes“ belegen.

Den Schriftstücken sei zu entnehmen, dass dem am Tatort anwesenden hessischen Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, der weder etwas gehört noch gesehen haben will, „von Vorgesetzten nahe gelegt wurde, falsche Aussagen zu machen“. Der 2006 verübte Mord an Yozgat steche noch aus einem weiteren Grund hervor: Anders als sonst bei NSU-Morden seien Polizei und Staatsanwaltschaft in Kassel entschlossen gewesen, den Vorgängen auf den Grund zu gehen. Doch Hessens damaliger Innenminister Volker Bouffier habe „die Ermittler ausgebremst“, etwa beim Versuch, mit dem von Temme betreuten V-Mann aus der rechten Szene zu sprechen. Aber auch bei den anderen Morden sei der NSU stets „von staatlicher Stelle vor polizeilichen Zugriffen geschützt“ worden, sagte Wenzel.

Enttäuschend sei auch die „laxe Haltung“, die jetzt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss herrsche. Der Ausschuss könne zum Beispiel Verfassungsschutzmitarbeiter zwingen, ihre Tätigkeiten offen zu legen, tue dies aber „aus Staatsräson“ nicht. Wetzel sagte, er kenne Polizeibeamte, „die aufgrund beharrlicher Ermittlungen diskreditiert oder entlassen wurden“ sowie „drei Aussagewillige, die angeblich Selbstmord begingen“.

Eine Zusammenfassung der Recherchen ist auf Wetzels Homepage zu finden.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. Juli 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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