Die Frage, ob die Kirche gleichgeschlechtlich Liebende trauen darf, sorgt immer wieder für Diskussionen. Der Fachbereich Evangelische Theologie der Frankfurter Goethe Universität hat nun eine Stellungnahme dazu vorgelegt, die die Verfasser gestern Abend in der Evangelischen Akademie am Römerberg zur Diskussion stellten.
Das acht Seiten umfassende Papier ist Destillat eines langen und nicht wenig aufreibenden Arbeitsprozesses. In drei Abschnitten erörterten die Verfasser – Heiko Schulz, Stefan Alkier und Hans-Günter Heimbrock – dem mitlesenden Publikum systematisch-theologische, exegetisch-hermeneutische sowie pastoraltheologische Aspekte der umstrittenen Frage. Es wurde schnell deutlich, dass es im Kern der Sache um sehr grundlegende Dinge geht, nämlich um die Auffassung des Schriftsinns der Bibel, die Bedeutung des Glaubens und das Verständnis sowie die Differenzierung von Begrifflichkeiten.
Da die Ehe in der evangelischen Kirche kein Sakrament ist, ist eine „Segnung“ von Paaren, die sich für ein dauerhaftes Zusammenleben entschieden haben, letzten Endes dasselbe wie eine „Trauung“. Im Publikum wurde der Einwand erhoben, die Kirche passe sich mit ihrer Auslegungsarbeit zunehmend und willfährig einem liberalen Zeitgeist an. Tatsächlich haben sich die kirchliche Praxis und das Selbstverständnis der Kirche dahingehend verändert, dass das lebensbegleitende, kontextbezogene Handeln wichtiger geworden ist. Das hat auch eine Revision von Begrifflichkeiten und Inhalten nach sich gezogen, die keineswegs nur die Debatte um die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare betrifft.
Eine lebensnahe Kirche befinde sich im Dialog, und auch ihre Grundlagen seien dialogisch, so die Theologen der Goethe-Uni. Gegen den Einwand, manche Bibelstelle lege doch eine Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe nahe, führte Stefan Alkier an, einzelne biblischen Gebote oder Verbote würden mitnichten das Wort Gottes wiedergeben. Eine Exegese sei immer nur im Hinblick auf den erzählerischen Gesamtzusammenhang möglich. „Die“ Bibel an sich sei bereits eine Folge von Vorentscheidungen und kommunikativen Prozessen, die in sich nicht frei von Widersprüchen sind. Deshalb entspreche es dem protestantischen Schriftverständnis, die heilige Schrift als ein Ganzes zu verstehen, dessen Sinn sich dialogisch im Akt des Lesens offenbare.
Die Vielfalt der Stimmen auf dem Podium und im Publikum, so wurde an diesem Abend deutlich, spiegelt ein Ringen um Eigenverantwortung wider, das für die Beantwortung von zentralen Glaubensfragen im Protestantismus unabdingbar ist.