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Von – 6. November 2014

Heimat Riedberg – der Traum vom Eigenheim

Noch bis 20. November veranstaltet die Evangelische Akademie Frankfurt die Reihe „Heimat Riedberg“. Zahlreiche Veranstaltungen widmen sich dem noch jungen Stadtteil im Frankfurter Norden. Den Auftakt machte ein Abend über den Traum von den eigenen vier Wänden.

Am Riedberg wird, wie in vielen Neubaugebieten, für viele Menschen der Traum von den eigenen vier Wänden wahr. Hier ein Blick über den Kätcheslachpark. Foto: Rolf Oeser

Am Riedberg wird, wie in vielen Neubaugebieten, für viele Menschen der Traum von den eigenen vier Wänden wahr. Hier ein Blick über den Kätcheslachpark. Foto: Rolf Oeser

Was Ende des 19. Jahrhunderts in England seinen Anfang nahm und bald danach tiefe Wurzeln in Deutschland schlug, hat sich heute weltweit verbreitet: der Traum vom Eigenheim. Dass die wissenschaftliche Forschung diesem Sujet bislang wenig Beachtung schenkte, wundert die Kulturwissenschaftlerin Susanne Hauser nicht. Im Gegensatz zu Villen, Schlössern oder selbst Bauernhäusern sei das Einfamilienhaus mit dem Nimbus „ungeheurer Normalität“ belegt, sagt sie.

Nach dem Eindruck der an der Berliner Universität der Künste lehrenden Professorin zeichnet sich hier gegenwärtig ein Wandel ab. Das Interesse an der Geschichte des Einfamilienhauses steige, sagte sie beim Auftakt zur Veranstaltungsreihe „Heimat Riedberg“, mit der die Evangelische Akademie den „altertümlichen Begriff Heimat aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten“ will.

Eines der größten Neubaugebiete Deutschlands

Der Stadtteil Riedberg zählt zu den größten Neubaugebieten Deutschlands und wird bis zum Jahr 2020 mehr als 15.000 Menschen beherbergen. Für viele von ihnen geht dort der Wunsch nach einem Eigenheim in Erfüllung – wenngleich oft nur in Form eines Reihenhäuschens. Doch auch das verspricht den Bewohnerinnen und Bewohnern „ein Stück Heimat auf Erden“, wie die Kulturwissenschaftlerin Hauser sagt.

Das sei heute nicht anders als nach dem Ersten Weltkrieg. Damals entwickelte sich das Einfamilienhaus zum Massenphänomen. In den immer größer werdenden Städten wurden damals großzügig Erbpachten verteilt, auf denen unzählige, oft weitgehend selbst erbaute Häuschen entstanden, so die geschäftsführende Direktorin des Berliner Instituts für Geschichte und Theorie der Gestaltung. Ab 1934 sei das Eigenheim dann zum unverzichtbaren Bestandteil der Nazi-Propaganda geworden.

Ein „im Kapitalismus verstricktes Konzept“

Auch nach 1945 wurde in Deutschland mit Nachdruck für das Einfamilienhaus geworben. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer habe geraten, den „Arbeitern ihr Häuschen zu geben, damit sie die Revolution vergessen“. Der Theologe Stefan Alkier betrachtet das Verlangen nach einem Eigenheim denn auch als ein „im Kapitalismus verstricktes Konzept“.

Unter der Vorgabe, im Eigenheim einen „friedlichen Heilsort“ und die „glückselig machende Heimat“ zu finden, werde der Raum zur Ware umfunktioniert. Dabei habe gerade die Arbeiterbewegung den Heimatbegriff wegweisend neu geprägt und ihn als soziale Zugehörigkeit, als seelische Heimat definiert. Der Professor für Neues Testament an der Frankfurter Goethe-Universität hält es daher für „wichtig, einen kritischen Blick auf die mit Heimat verbundenen Wünsche und Sehnsüchte“ zu werfen. Vor diesem Hintergrund erinnerte er an den im Nationalsozialismus religiös überhöhten Heimatbegriff, der etwa die unter „Heimholung“ verbrämte Annexion des Sudentenlandes legitimierte.

Jesus oder Paulus hockten nicht im Eigenheim rum

Alkier stellte klar, dass „Heiligtum und Eigenheim“ auf keinen Fall zusammengehören. Wenn in der Bibel von Heiligkeit die Rede sei, werde zum einen stets auf Gott und dessen unermessliche Wirkkraft verwiesen. Zum anderen finde sich in den Schriften „nicht mal annähernd“ ein Begriff, der den gängigen Assoziationen von Heimat und Eigenheim entsprechen würde: Die Helden der Bibel hätten „keine Heimatvereine gegründet“, sondern seien ständig durch die Gegend gereist. „Jesus oder Paulus hockten nicht im Einfamilienhaus herum“, so der Theologe.

Die Jesusbewegung sei vielmehr „ein völlig antifamiliäres Konzept“ gewesen, das eher dem griechischen „Oikos“, dem Haushalt, nahesteht: ein sozialer, für alle offen stehender Raum. Alkiers Meinung nach braucht es aus biblisch-theologischer Sicht für die Verortung des Menschen keinen Heimatbegriff. Das „himmlische Daheimsein“ komme ohne Eigenheim aus – zumal die „Gemeinschaft der Christen himmlische Bürgerschaft“ genieße, die im Wortsinne unbezahlbar und daher jedem zugänglich sei.

Das Programm zur Reihe Heimat Riedberg gibt es online.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 6. November 2014 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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