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Aktuell

Von – 5. November 2014

Luthers Antijudaismus

Eine Ausstellung und eine Vortragsreihe in der Lutherkirche im Nordend beschäftigen sich mit Schattenseiten des Reformators.

In seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ aus dem Jahr 1543 gibt Martin Luther der Obrigkeit einen „treuen Rat“, wie sie mit Juden und Jüdinnen umgehen sollten: Man solle diesem „Schlangengezüchte“ ihre Synagogen mit Feuer anstecken, ihre Häuser zerbrechen und „sie in Ställe treiben wie die Zigeuner“, ihre Gebetbüchlein und Talmude wegnehmen, ihren Rabbinern das Lehren verbieten, ihnen untersagen, sich frei auf der Straße zu bewegen, und ihnen alle Barschaft nehmen.

Mit den antijüdischen Ansichten des deutschen Reformators beschäftigt sich eine Ausstellung, die derzeit in der Lutherkirche im Nordend, Martin Luther Platz 1, zu sehen ist. Entwickelt hat sie der Arbeitskreis für das jüdisch-christliche Gespräch in Hessen und Nassau. „Gerade in der Lutherkirche sehen wir es als unsere Aufgabe an, uns nicht nur mit den unbestreitbaren Verdiensten Luthers, sondern auch mit seinen Schattenseiten zu beschäftigen“, sagt Pfarrerin Melanie Lohwasser. Die Zeugnisse der Ausstellung seien „so verstörend wie grundsätzlich“. Deshalb wurden sie von einem Rahmenprogramm mit Vorträgen flankiert.

Auch die Nazis beriefen sich auf Luther

Unter dem Titel „Reformatorische Freiheit und christliche Judenfeindschaft“ arbeitete der evangelische Theologe Martin Stöhr zunächst die Wirkungsgeschichte von Luthers Äußerungen zum Judentum heraus. So habe seine Autorität vielen Nationalsozialisten ein gutes Gewissen verschafft. Noch 1946 habe Julius Streicher, der Herausgeber des Hetzblattes „Der Stürmer“, beim Kriegsverbrecherprozess von Nürnberg behauptet, statt seiner müsse eigentlich Luther auf der Anklagebank sitzen: Es sei doch schließlich dessen Empfehlung gewesen, Synagogen niederzubrennen und die Juden zu vernichten.

Zur Ausrottung der Juden und Jüdinnen hat Luther freilich trotz seiner Forderungen von 1543 nicht aufgerufen. Seine Schmähschrift stand aber in einer breiten christlichen Tradition der Judenfeindschaft, wie Stöhr erläuterte. Im 2. Jahrhundert erklärte der Prediger Melito von Sardis, in Golgatha sei Gott selbst von den Juden getötet worden. Papst Leo der Große habe im 5. Jahrhundert gefordert, die Juden müssten leiden, wie sie Jesus hätten leiden lassen. Und auf dem 4. Laterankonzil von 1215 sei festgelegt worden, dass Juden sich durch einen gelben Fleck auf der Kleidung kennzeichnen müssten.

Luthers Judenfeindschaft verstärkte sich im Lauf des Lebens

Luthers Judenfeindschaft habe sich im Lauf seines Lebens verstärkt, erläuterte Stöhr. Als junger Mann verfasste er noch 1523 die Schrift „Daß unser Herr Jesus Christus ein geborener Jude sei“ und kritisierte darin die schlechte Behandlung der Juden durch viele Christen. Mit seiner Bibelübersetzung hoffte Luther wohl, die Juden zu einem reformierten Christentum bekehren zu können: Jetzt, wo die Schrift für alle frei zugänglich sei, müssten doch auch sie erkennen, dass Jesus der verheißene Messias sei, so seine Argumentation.

Später war er dann zunehmend von der Sorge getrieben, dass sein Lebenswerk scheitern könnte, und sah sich von vielen Seiten bedroht. Sein Hass auf die Juden sei auch eine Kehrseite des Zweifels an der Reformation, so Stöhr. Die heutige evangelische Kirche forderte der Theologe auf, sich ausdrücklich von diesem Hass und der Judenfeindlichkeit Luthers zu distanzieren.

Weitere Vorträge

Weitere Vorträge in dieser Reihe: „Antisemitismus und Rassismus heute“ ist Thema von Debora Krieg von der Bildungsstelle Anne Frank am Mittwoch, 5. November, über „Luthers Antijudaismus als Geburtsfehler des Protestantismus“ spricht Professor Klaus Wengst aus Bochum am Mittwoch, 12. November, und „Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945“ ist Thema von Daniel Neumann, dem Direktor des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Hessen, am Mittwoch, 26. November. Alle Vorträge beginnen um 19 Uhr in der Lutherkirche im Nordend, Frankfurt am Main, Martin Luther Platz 1.

Die Ausstellung selber ist noch bis zum 28. November zu sehen, die Schriften und Exponate können jeweils sonntags von 12 bis 13 Uhr, dienstags von 15 bis 17 Uhr und mittwochs von 17 bis 19 Uhr in der Kapelle der Lutherkirche besichtigt werden.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 5. November 2014 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".