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Von – 20. November 2014

„Mindestlohn ist ein großer sozialpolitischer Erfolg“

Was die einen als Konjunkturkiller fürchten, verbucht Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund als einen der größten sozialpolitischen Erfolge: den gesetzlichen Mindestlohn. Das war Thema beim Wirtschaftsolitischen Forum der Evangelischen Akademie Frankfurt.

Foto: Antje Schrupp

Foto: Antje Schrupp

Rund vier Millionen Menschen würden ab Januar von seiner Einführung profitieren, sagte der Körzell, der Mitglied im geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand ist. Auch wenn 8,50 Euro lediglich eine „Anstandsgrenze“ seien und es für Langzeitarbeitslose, Saisonarbeiter und -arbeiterinnen oder für Menschen unter 25 Jahren Ausnahmereglungen gebe, ist Körzell zufrieden. Schließlich sei seit der Einführung von „Hartz IV“ sei der Niedriglohnsektor explosionsartig gewachsen.

Schlimmes lässt den Gewerkschafter jedoch die Reaktion der „großen Boulettenbratketten“ ahnen. Sie hätten ihre Tarifverträge gekündigt, weil der Mindestlohn niedriger ist als die bislang gezahlten Entgelte – für die, die dort arbeiten, könne sich der Lohn also verringern. Problematisch sei auch, dass die Kontrollbehörden chronisch unterbesetzt seien, sagte Körpell,

Tricks, um den Mindestlohn auszuhebeln

Es gibt nämlich einige Tricks, um den Mindestlohn auszuhebeln. So würden etwa auf dem Bau manchmal horrende Mieten für das Bett im Container verlangt, und es gebe Friseure, die Trinkgelder auf das Gehalt der Angestellten anrechnen. Ärgerlich sei auch, dass bei den Debatten um den Mindestlohn eher die Gegenargumente im Rampenlicht stehen. Von den Vorteilen, etwa den „konsumstimulierenden Effekten“ oder den zu erwarteten Zuflüssen in die Sozialversicherungskassen von rund drei Milliarden Euro, sei dagegen kaum die Rede.

Nach Auffassung des Arbeitsrechtlers Otto Kempen kommt die Politik mit der Einführung des Mindestlohns lediglich dem Artikel 1 des Grundgesetzes nach: dem Schutz der Menschenwürde. Von der könne nämlich keine Rede sein, wenn mehr als drei Millionen Menschen mit gerade mal fünf bis sechs Euro und weitere zwei Millionen mit weniger als 8,50 Euro Stundenlohn auskommen müssen. Es sei daher längst überfällig gewesen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern qua Gesetz ein existenzsicherndes Einkommen zu garantiert.

Aufträge gehen oft an die Billigsten

Das findet auch der Frankfurter Unternehmer Claus Wisser, für den der Mindestlohn eine „Wertschätzung der Arbeit“ bekundet. Der Gründer und Aufsichtsratsvorsitzende der WISAG Facility Service Holding zahlt seinen Reinigungs- und Sicherheitskräften mehr als neun Euro Stundenlohn: „Wer kann denn sonst noch seine Miete zahlen?“ Um anständige Löhne zu zahlen müsse er allerdings mehr für seine Dienstleistungen verlangen und deshalb ständig bei Kunden und Kundinnen Überzeugungsarbeit leisten. Nicht selten gingen die Aufträge aber an die billigere Konkurrenz.

Solche Erfahrungen macht auch der Personalleiter der Diakonie Hessen, Christoff Jung. Aufgrund des Einstiegsgehalts von 9,20 Euro, das bei der Diakonie bezahlt wird, seien Wettbewerber meist wesentlich günstiger. Das betreffe vor allem den Bereich Pflege, in dem die Diakoniekräfte 13 Euro erhalten. Doch weil der Staat nicht willens sei, solche Beträge zu akzeptieren, schlage man sich mit der „mangelnden Refinanzierung“ herum, kritisierte Jung.

Dieses Problem ließe sich nach Ansicht von Stefan Körzell freilich beseitigen. Er schlug vor, dass die großen Verbände wie Diakonie, Caritas Arbeiterwohlfahrt und Paritätischer als „Preissetzer“ fungieren, indem sie sich auf einen Tarifvertrag einigen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 20. November 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Kommentare zu diesem Artikel

  • Katja schrieb am 27. März 2015

    Eine solche Einführung war schon lange überfällig und ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dennoch muss sich hier auch in Zukunft noch einiges mehr tun, damit die Menschen endlich auch wieder von ihrem Geld leben und eine Familie ernähren können, was aktuell leider sehr oft nicht der Fall ist.