Auf die Öffentlichkeit gerichtet zu sein, ist nach Ansicht des Philosophen Volker Gerhardt etwas, das zum Menschsein wesentlich dazu gehört. Zusammen mit der Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg war er zu Gast in der Evangelischen Akademie Frankfurt.
Die Art und Weise, wie Menschen in der Öffentlichkeit präsent sind, sei unweigerlich von der jeweiligen Technologie der Zeit geprägt, der sich niemand entziehen könne, so Gerhardt. „Unser Bewusstsein selbst ist eine Form der Öffentlichkeit“, sagte der Professor der Berliner Humboldt-Universität bei der Veranstaltung, die unter dem Titel „Öffentlich leben“ stand, dem Schwerpunktthema der Akademie in diesem Halbjahr.
Gerhardt wandte sich gegen eine kulturpessimistische Ablehnung des Internet und lehnte eine Unterscheidung zwischen „natürlicher“ und „technologischer“ Lebensweise ab. Jede technologische Neuentwicklung sei zunächst eine Herausforderung für das menschliche Selbstverständnis, doch im Laufe der Zeit gewöhne sich die Menschheit nicht nur daran, sondern mache sie auch zum Teil ihres Selbstbewusstseins.
Mehr Transparenz in der Politik
Für einen „gläsernen Staat, aber keinen gläsernen Bürger“ plädierte die Publizistin und Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg. In einer Demokratie müssten die Menschen Zugang zu den Grundlagen der Regierungsarbeit haben, zum Beispiel müssten Gutachten, die im Auftrag des Staates oder von Parteien erstellt worden seien, veröffentlicht werden – und nicht nur dann, wenn die Ergebnisse den Auftraggebern genehm sind. Eine transparente Politik sei Voraussetzung für informierte Meinungsbildung und Entscheidungsfindung.
Die Überwachung der Bevölkerung und die Speicherung privater Daten „auf Vorrat“, also unabhängig von einem konkreten Verdacht, lehnte Domscheit-Berg hingegen ab. Bei der Abwehr von Verbrechen, auch terroristischer, sei die klassische Ermittlungs- und Polizeiarbeit weitaus effektiver. Mittel, die für Überwachungsmaßnahmen eingesetzt werden, würden dort fehlen.