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Von – 17. Dezember 2014

Frauen im Gefängnis

Nur etwa fünf Prozent aller Strafgefangenen sind Frauen – sowohl in Deutschland als auch weltweit. Ihr Leben im Gefängnis unterscheidet sich sehr von dem männlicher Strafgefangener. Manche erleben im Knast zum ersten Mal eine Form von Gemeinschaft.

Susanne Kahlbaum ist Gefängnisseelsorgerin in der Frauen-JVA Preungesheim. Foto: Ilona Surrey

Susanne Kahlbaum ist Gefängnisseelsorgerin in der Frauen-JVA Preungesheim. Foto: Ilona Surrey

„Soll ich Ihnen mal was sagen, Frau Kahlbaum? Das ist das schönste Weihnachten meines Lebens hier!“ Die das sagt, ist eine junge Gefangene, die mit ihrem einjährigen Sohn im Mutter-Kind-Heim des geschlossenen Vollzugs im Frauengefängnis in Preungesheim lebt. Sie hat hier, im Knast, zum ersten Mal eine Form von Gemeinschaft erlebt. Am Nachmittag war der Sozialarbeiter als Nikolaus verkleidet zur Adventsfeier gekommen.

Gefühle werden im Frauenknast ziemlich offen gezeigt, und auch ich als Seelsorgerin muss Körperlichkeit zulassen können: Umarmungen und Tränen gehören ebenso dazu wie ab und zu ein Freudentanz Hand in Hand.

Was Frauen im Gefängnis im Überfluss haben, ist Zeit. Sehr begehrt ist deshalb Wolle zum Stricken, die wir aus Spenden erhalten. Das Stricken oder Häkeln ist eine Möglichkeit, sich gegenseitig eine Freude zu machen. Da die Frauen – auch das ein Unterschied zum Männervollzug – Privatkleidung tragen dürfen, schafft Selbstgestricktes die Möglichkeit von Individualität.

Der sonntägliche Gottesdienst bedeutet für viele, zur Ruhe zu kommen, bringt Worte und Gesänge „wie aus einer anderen Welt“, wie die Gefangenen manchmal sagen. Nicht selten weckt das wehmütige Erinnerungen an eine Kindheit, in der Gott eine Rolle spielte. Darum drehen sich viele Gespräche. An einigen Lebensgeschichten merke ich, wie dünn der Grat zwischen drinnen und draußen ist. Und manchmal kommt mir der Gedanke, ob ich vielleicht nur Glück hatte, dass ich nicht an die falschen Freunde geraten bin.

Blick in den Aufenthaltsraum des Frauengefängnisses in Preungesheim. Viele der inhaftierten Frauen haben Kinder – die Trennung von ihnen ist besonders in der Advents- und Weihnachtszeit schwer. Foto: Frank Rumpenhorst / picture-alliance

Blick in den Aufenthaltsraum des Frauengefängnisses in Preungesheim. Viele der inhaftierten Frauen haben Kinder – die Trennung von ihnen ist besonders in der Advents- und Weihnachtszeit schwer. Foto: Frank Rumpenhorst / picture-alliance

Ja, auch Frauen begehen schwere Straftaten, doch der Prozentsatz ist vergleichsweise gering. In der Regel sind es Beziehungstaten; häufig, um sich von gewalttätigen Männern zu befreien. Das Rollenklischee verlangt, dass Frauen innerhalb der Familien auf Ausgleich und Harmonie aus sind und Konflikte entweder verbal austragen oder einfach still leiden. Umso mehr schreckt es die Gesellschaft, wenn Frauen doch gewalttätig werden. Und auch die Inhaftierten selbst leiden fast alle unter dem Bewusstsein, sich am Leben eines anderen vergriffen zu haben – trotz der oft selbst zuvor erlittenen Gewalt.

Die eingangs genannte junge Frau hat auf der Straße ihren behinderten Bruder gegen eine Gruppe Jugendlicher verteidigt und dabei selbst eine Grenze überschritten. Immer wieder hat sie darüber gesprochen, wie sehr sie das, was sie getan hat, schreckt. Im Gefängnis die Selbstachtung zu behalten, ist nicht leicht. Eine Botschaft, die ich den inhaftierten Frauen mitgeben kann, ist die Gewissheit, dass da, wo wir Menschen die in uns gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können, Gott ist, dem wir unsere Anstrengungen in die Hände legen können.

Fast alle inhaftierten Frauen haben Kinder, nicht selten viele. Fünf Mütter mit Kleinstkindern können in Preungesheim ihre Haftzeit im Mutter-Kind-Heim verbringen, doch die meisten werden getrennt. Diese Frauen leiden sehr unter dem Wissen, dass ihre Kinder bei Pflegeeltern aufwachsen müssen, weil sie selbst ihrer Rolle als Mütter nicht gerecht geworden sind.

Solche Emotionen werden gerade in der Adventszeit stärker, die Nervenseile dünner und die Tränenbäche dicker. Aber es gibt auch viel Solidarität. Da werden kleine Geschenke gebastelt und der Zellennachbarin geschenkt oder nach Hause geschickt. Wir Seelsorgerinnen verteilen Kerzen und nehmen uns noch mehr als sonst Zeit für Gespräche. Wir stellen unsere Büros für gemeinsames Plätzchenessen zur Verfügung. Wir basteln mit den Gefangenen Adventskränze, singen und beten.

Das sind vielleicht Kleinigkeiten, aber für so manche Frau im Gefängnis ist es mehr Zuwendung, als sie bisher in ihrem Leben erfahren hat.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 17. Dezember 2014 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe , .

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