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Von – 28. Dezember 2014

Raum fürs Fragezeichen: Werner Schneider-Quindeau

Er bringt Politik, Kunst und Frömmigkeit in Frankfurts City zusammen. Seit 2008 ist Werner Schneider-Quindeau Stadtkirchenpfarrer an der Katharinenkirche an der Hauptwache. Ende 2014 ging er in Ruhestand.

Foto: Georg Magirius

Foto: Georg Magirius

Werner Schneider-Quindeau geht es nicht um die Bewegung und Inspiration der Massen. Zumindest nicht allein. Entscheidend stattdessen: Der Einzelne soll Trost finden können. Wer mit dem Stadtkirchenpfarrer spricht, wird zunächst einmal schauen: Der ganze Körper befindet sich beim Reden in Bewegung. Für Werner Schneider-Quindeau sind Denken und Reden nie ohne Leidenschaft. Darin ist die Sehnsucht erkennbar: Das Evangelium soll lebendig sein – und nicht im Entferntesten an Erstarrung denken lassen.

Das nämlich wäre das Gegenteil jener Sprache, die ihn begeistert, die Sprache der bewegten Bilder: „Sie bewegen ja auch den, der den Film schaut. Und zwar nicht auf der Ebene des Intellekts allein, sondern alles ist da: Freude! Tränen! Lachen!“ Seit 27 Jahren ist er Vorsitzender der EKD-Filmjury, die regelmäßig den Film des Monats bestimmt.

Bewegungsgenie

Glaubensformeln hingegen könnten Menschen kaum bewegen, hat er erlebt. Manchmal spricht er so, dass seine Wörter eine Beschleunigung erfahren, die unvergleichlich erscheint, am ehesten vielleicht noch an den heftigen Akzent eines geschmetterten Badmintonballs erinnert. Der 65-Jährige ist ein Gedankenrennfahrer, ein Assoziationskünstler und Ideenvulkan.

Und dann? Pause. Der Energiegeladene sagt mit einem Mal nichts mehr, atmet auf eine Weise ruhig, wie es nur wenigen eigen ist. Dann spricht er vorsichtig, fast zögerlich, sehr überlegt. Das Bewegungsgenie will andere mit Worten nicht überfahren. Seine Bewegungslust ist stattdessen dem Wunsch geschuldet, dass sein Gegenüber nicht erstarren soll.  Er ist ein Seelsorger, der „Seele“ oder „Sorge“ nicht krampfartig aus dem Schatz der Worte streichen würde, um dadurch vielleicht modern zu wirken.

Ende der Verkrampfung

Nein, Verkrampfungen soll es möglichst keine geben. Oder präziser gesagt: Sie sollen ein Recht haben, sich lösen zu dürfen. Wohl deshalb hat Schneider-Quindeau einmal von der Kirche als einem Raum gesprochen, in dem endlich einmal Tränen fließen dürfen. So etwas sagt er freilich im Konjunktiv.

Denn er ist nicht nur Visionär, sondern auch Realist: Das Ende der Verkrampfung steht oft genug noch aus, weiß er. Auch das Shoppen, das um die Katharinenkirche eine große Rolle spiele, könne keine Lösung für tiefliegende Verkrampfungen sein. Sonst unterbrächen ja nicht so viele den Konsum, indem sie in die Katharinenkirche gehen. Das hat er, als er 2008 als Stadtkirchenpfarrer begann, mit einer breit angelegten Umfrage herausgefunden. „Die Zeilgänger suchen Ruhe, stoßen dabei aber oft auf Lebensfragen, die sie nicht in Ruhe lassen.“

Raum fürs Fragezeichen

Dann kommt er nicht mit platten Lösungsangeboten. „Ich glaube nicht, dass die Menschen immer schon genau wissen, was sie wirklich brauchen.“ Stattdessen will er Raum für die Kraft des Fragezeichens geben. Sehnsucht, Schmerz und das Recht des Konjunktivs werden bei ihm nicht entsorgt.

Ende 2014 geht Werner Schneider-Quindeau in Ruhestand. Was seine Arbeit am stärksten geprägt habe, liege Jahrzehnte zurück, sagt er. Sein erstes Kind starb zwei Tage nach der Geburt. „Es gibt keine absurdere Situation: Geburt und Tod fallen nahezu zusammen.“ Durch diese tiefen Erfahrungen hindurch hätte das Evangelium für ihn neu und anders gesprochen. „Die frohe Botschaft ist für die Trostlosen gemeint, gerade für die, die keinen Trost parat haben. Sie ist für die Hoffnungslosen gemeint, die in ihrer Absurdität stecken. Und sie ist für die Gottlosen, die meinen: Brauche ich alles nicht. Das deutlich zu machen“ – und wieder ist da der Konjunktiv – „das deutlich zu machen, wäre unsere Aufgabe.“

Porträt über Werner Schneider-Quindau bei Deutschlandradio Kultur.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 28. Dezember 2014 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.