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Von – 20. Januar 2015

Die vielen Möglichkeiten, die das Sterben bereithält

Das Thema Sterbehilfe sorgt meist für rege Diskussionen, oft mit einem Schlagabtausch zwischen Pro- und Contra-Argumenten. Bei einem Abend über „Rituale der Sterbehilfe“ in der Evangelischen Akademie Frankfurt stand hingegen das Zuhören im Fokus: auf Erzählungen von Menschen, die Erfahrungen mit Sterbehilfe haben.

Foto: mma23/Fotolia.com

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Pfarrer Kurt Schmidt, der Leiter des Zentrums für Ethik in der Medizin am Markuskrankenhaus,  hatte dazu den Journalisten Nicola Bardola aus der Schweiz und den Arzt und Medizinethiker Gerrit Kimsma aus den Niederlanden eingeladen. Bardola erzählte vom selbst gewählten, von der Organisation Exit begleiteten Tod seiner Eltern, den er in seiner 2005 erschienenen autobiografischen Erzählung „Schlemm“ thematisiert hat. Kimsma gab Einblick in seine Praxis als Hausarzt in den Niederlanden, wo er seit 1977 bei Suiziden assistiert. Die Geschichten waren persönlich, intim, berührend und warfen viele Fragen auf. Zuallererst aber taten sie Kunde davon, dass ein unaufgeregter Diskurs über das freiwillige, begleitete, geplante Sterben zum Leben dazugehören kann.

Inmitten der leidenschaftlich geführten Debatten gerät die Ausgangssituation gelegentlich aus dem Blick: Beihilfe zum Suizid ist in der Schweiz und in Deutschland nicht strafbar, in den Niederlanden hingegen ist sie es. Und trotzdem hat sich gerade dort eine Praxis der Sterbehilfe etabliert, die häufig von den Hausärzten geleistet wird. Sie nehmen zwar ein hohes Risiko auf sich, denn sie können sich faktisch strafbar machen. Straffrei bleiben sie jedoch, wenn sie den begleiteten Suizid selbst anzeigen und ihnen von einer dafür zuständigen Prüfungskommission keine Verfahrensfehler nachgewiesen werden können.

Die Kombination aus Reglement und Nähe zu den Patientinnen und Patienten scheint ein guter Rahmen zu sein für die Entfaltung von persönlichen, intimen Ritualen der Sterbehilfe. Das oft langjährige Verhältnis der Suizidwilligen zu ihrem Hausarzt bietet eine Vertrauensbasis, eine Beziehung, innerhalb derer sie ihre Wünsche mitteilen können und denen der Arzt oder die Ärztin zu einem großen Teil entsprechen kann. Auch Angehörige können hier einbezogen werden.

Von diesem Reichtum, sich gemeinsam vorbereiten zu können auf ein Ende, das von einer unheilbaren Krankheit zwar diktiert, gleichwohl aber selbst bestimmt und selbst gestaltet werden kann, erzählte auch Bardola. Es sind Geschichten von todkranken Menschen, die sich am Ende ihrer Lebenszeit sicher und geborgen fühlen, die zuweilen, so Kimsma, in dieser letzten Phase ihres Lebens über sich hinauswachsen in dem Bestreben, ein gutes Ende miteinander zu finden.

Das Tor für dieses Miteinander – so wurde an diesem Abend deutlich – ist das unaufgeregte, vertrauensvolle, teilnehmende Gespräch über die vielen Möglichkeiten, die selbst das Sterben noch bereithält.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 20. Januar 2015 in der Rubrik Ethik, Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.