Schon jetzt wohnen fast neuntausend Menschen hier: Der Frankfurter Riedberg ist eines der größten Neubaugebiete Deutschlands. Die Evangelische Akademie widmete dem jungen Stadtteil nun einen Studientag.
Bis zum Jahr 2020 soll der Riedberg für über 15 000 Menschen eine neue Heimat sein. Doch Heimat ist weit mehr, „als der Ort, an dem der Wohnungsschlüssel passt“, wie Studienleiter Ralph Fischer betonte. Was Heimat bedeutet und was dafür notwendig ist, dazu hatte die Evangelische Akademie Frankfurt Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen eingeladen.
Der Stadtentwickler Norbert Landshut führte zunächst bei einer Erkundungstour durch das sieben Quartiere umfassende Terrain. Dem Riedberg fehle noch die „Patina“, sagt er. Mit neun Kindertagesstätten, zwei Grundschulen, einem Gymnasium sowie zwei Einkaufszentren ist die Infrastruktur zwar schon weit gediehen. Doch weil immer noch jedes Jahr rund 1500 neue Bewohnerinnen und Bewohner hierher ziehen, gibt es weiterhin einen hohen Grad an Anonymität. Damit sich soziales Leben herausbildet, seien vor allem Bürgergruppen, Sportvereine und Kirchengemeinden wichtig.
Für viele Menschen geht im Frankfurter Norden der lang gehegte Wunsch nach den eigenen vier Wänden in Erfüllung – wenn auch oft nur in Form eines Reihenhäuschen. Doch auch das verspricht nach Ansicht der Kulturwissenschaftlerin Susanne Hauser „ein Stück Heimat auf Erden“.
Die Professorin der Berliner Universität der Künste gab einen Einblick in die Geschichte des Eigenheims. Dass die Forschung diesem Thema bislang kaum Beachtung schenkte, hat für sie einen recht simplen Grund: Im Gegensatz zu Villen, Schlössern oder selbst Bauernhäusern sei das Einfamilienhaus „mit dem Nimbus ungeheurer Normalität belegt“. Seinen Anfang nahm der Traum vom Eigenheim Ende des 19. Jahrhunderts in England und hat sich dann in der ganzen Welt verbreitet. In Deutschland wurde das Einfamilienhaus nach dem Ersten Weltkrieg zum regelrechten Massenphänomen. In den immer größer werdenden Städten hat man damals großzügig Erbpachten verteilt, auf denen unzählige, oft weitgehend selbst erbaute Häuschen entstanden sind, so Hauser. Ab 1934 wurde das Eigenheim dann zum unverzichtbaren Bestandteil der Nazi-Propaganda.
Aber auch nach 1945 habe die Politik weiter mit Nachdruck dafür geworben, so Hauser. Bundeskanzler Adenauer etwa gab das Motto aus: „Gebt den Arbeitern ihr Häuschen, damit sie die Revolution vergessen.“
Der Theologe Stefan Alkier wertete das Verlangen nach einem Eigenheim denn auch als ein „im Kapitalismus verstricktes Konzept“. Unter der Vorgabe, hier einen „friedlichen Heilsort“ und die „glückselig machende Heimat“ zu finden, werde der „Raum zur Ware“ umfunktioniert. Dabei habe gerade die Arbeiterbewegung den Heimatbegriff eigentlich neu geprägt und ihn eher als soziale Zugehörigkeit und als seelische Heimat definiert.
Der Neutestamentler der Goethe-Uni hält es deshalb für wichtig, auch kritisch auf die mit Heimat verbundenen Wünsche und Sehnsüchte zu schauen. Aus christlicher Sicht brauche es für die Verortung des Menschen jedenfalls keinen Heimatbegriff.
Das „himmlische Daheimsein“ komme ohne Eigenheim aus. Die Gemeinschaft der Christen sei im Himmel zuhause, und diese Heimat sei „im wahren Wortsinne unbezahlbar und deshalb jedem zugänglich“.