Protestantismus und Demokratie passen gut zusammen, das zeigt sich zum Beispiel auch in den Kirchenvorstandswahlen am 26. April. Doch auch wenn vieles für eine Verbindung von Kirche und Demokratie spricht, so gibt es doch Grenzen dessen, worüber sich abstimmen lässt.
Protestantismus und Demokratie gelten als Traumpaar, gerade gegenüber der hierarchisch organisierten römisch-katholischen Kirche mit einem Papst an der Spitze. Allerdings kennt auch das lutherisch geprägte Christentum durchaus eine Rangfolge der Ämter, und bei den Katholiken kommen die Pfarrgemeinderäte, die dann zumindest eine Mitverantwortung wahrnehmen, ebenfalls durch eine Wahl zustande.
Manches spricht für eine Verbindung von Kirche und Demokratie: Vom Menschenbild her begründet die Ebenbildlichkeit Gottes die unantastbare Würde eines und einer Jeden. Schon im frühen Christentum hatten die Gleichheit und das Soziale einen hohen Stellenwert, wie Paulus im Galaterbrief (3,28) schreibt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau.“
Umgekehrt legt die unabweisbare Fehlbarkeit eines Menschen es nahe, Einzelnen nicht zu viel Macht zu übertragen, und vor allem nicht auf Lebenszeit. Diese Erkenntnisse spiegeln sich in einer Demokratie im allgemeinen Wahlrecht sowie in der Begrenzung von Amtsperioden.
Nach der Erfahrung, dass im Nationalsozialismus demokratische Wahlen der Kirchenvorstände zur Machtentfaltung der Deutschen Christen geführt hatten, gibt es im Protestantismus aber durchaus auch starke Vorbehalte dagegen, die Kirche zur ganz und gar demokratischen Institution zu erklären. Dabei bezieht man sich etwa auf Paulus, der zwar nicht nach Jude oder Grieche, Sklave oder Freier, Mann oder Frau unterscheidet, aber sagt: „Ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.” Christus ist der „Herr” der Kirche, das nicht zur Disposition stehende Zentrum, auf das hin sich alles auszurichten hat, und zugleich das Kriterium, an dem sich das, was in der Kirche geschieht, zu messen hat.
Daran kann auch eine Mehrheitsentscheidung nichts ändern. Die protestantische Kirche legt ausdrücklich Wert darauf, immer wieder zu prüfen, inwieweit sie diesem Anspruch gerecht wird. Denn wenn es um das Bekenntnis geht, hört jeder Spaß auf: die Tradition ebenso wie die Lehrautorität und natürlich auch der Respekt vor einer Mehrheitsentscheidung; auch eine Mehrheit kann schließlich irren.
Es wäre im Übrigen völlig abstrus, das Kirchenvolk über das Evangelium, über Kreuz und Auferstehung, über Jesus Christus abstimmen zu lassen. Martin Niemöller, der erste Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und energischer Vertreter der Bekennenden Kirche, sagte einmal, die Kirche habe einen Kyrios („Herrn”) und könne deshalb nicht demokratisiert werden.
Das klingt zunächst antidemokratisch, trägt aber der Tatsache Rechnung, dass dem Kirchenvolk das Wort Gottes immer unverfügbar vorgeordnet bleiben muss und nicht selbst Gegenstand einer Entscheidung werden darf. Das biblische Menschenbild legt andererseits nahe, in der Kirche solche Strukturen zu praktizieren, wie sie der Demokratie entsprechen. Das macht aber die Kirche nicht zur demokratischen Institution.