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Aktuell

Von – 25. April 2015

Generation Keimfrei

Deutschland gilt als eins der hygienischsten Länder auf der Welt. Krankheiten gibt es immer noch. Nun will ein keimarmes Land offenbar keimfrei werden.

Berühren unmöglich! Die Generation Keimfrei erinnert an an Dornröschen. Foto: Georg Magirius

Nciht berühren! Die Generation Keimfrei erinnert an das Märchen von Dornröschen. Foto: Georg Magirius

„Wir waren fast den ganzen Winter über erkältet, steckten uns immer wieder an“, lautet derzeit eine der häufigsten Mitteilungen: „Jetzt hoffen wir, endlich den Frühling genießen zu können.“

Damit der Genuss nicht abbricht, finden sich an Waschbecken Hygieneregeln. Sie lehren, in wieviel Schritten und mit wievielen Minuten Waschdauer (mindestens) die Hände sich der Krankheitserreger entledigen.

Außerdem: Niesen in die Ellenbeuge! Nicht etwa in die Hand. Deswegen darf man einander noch lange nicht die Hände reichen. Umarmen? Davon ist noch nicht mal mehr die Rede. Dafür vom Risiko, das von einem öffentlich verwendeten Stück Seife ausgeht – im Vergleich zum ebenfalls öffentlichen, aber irgendwie privater wirkenden Seifenspender.

Achtung! Hautkontakt

Im Fitnessbereich darf kein Stück Haut ein Trainingsgerät kontaktieren. Zwischen Mensch und Maschine ist eine Schutzschicht zu legen: ein mehr als körperlanges Handtuch. Zudem gilt es, das Gerät nach jeder Handtuchberührung mit Desinfektionsmittel zu reinigen.

Ist Sprechen bald nur noch mit Mundschutz erlaubt? Drohen all jenen Ausgangssperren, die beim Nicht-Hände-Waschen erwischt werden? Vermutlich werden bereits Schutzanzüge in Serie angefertigt, wie sie Imker tragen, um endlich wieder einmal angstfrei die Wohnung verlassen zu können.

Generation Dornröschen

Doch Keime verstecken sich auch drinnen. Gefährlich sind unkontrollierte Zwischenraumverkürzungen zwischen Mensch und Mensch. Da hilft nur noch ein Hygienespray, das Berührungen nachträglich ungeschehen macht.

Trendforscher sprechen womöglich bald von der Generation Keimfrei – oder etwas blumiger: Generation Dornröschen. Wie der Königstochter im Märchen soll einem niemand nahe kommen. Man schützt sich mit Dornen, Stacheln, Wällen, Mauern gegen den Dreck der Welt, gegen all das Fremde und überraschend Neue im Vertrauten.

Der Preis dafür ist ein endlos wirkender Schlaf. Wird die Generation Keimfrei erwachen? Und: Kann in einem restlos sauberen Leben überhaupt noch etwas keimen und in Bewegung kommen? Nein. Es sei denn, Dornröschen erfährt eine märchenhaft ungesunde Berührung. Denn das, was vielen als krankhaft gilt, wird die Augen öffnen: Zärtlichkeit.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 25. April 2015 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.