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Aktuell

Von – 23. Mai 2015

Der Geist der Freiheit

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, den Gott uns Menschen schickt, um uns so immer nahe zu sein. Doch was ist das für ein Geist? Und in welchem Verhältnis steht er zur Freiheit? Und was für eine Freiheit ist da eigentlich gemeint?

Anne Katrin Helms ist Pfarrerin in der Erlösergemeinde Oberrad. Foto: Nicole Kohlhepp / Medienhaus gGmbH

Anne Katrin Helms ist Pfarrerin in der Erlösergemeinde Oberrad. Foto: Nicole Kohlhepp / Medienhaus gGmbH

Religion und Freiheit – das passt für viele Menschen nicht zusammen. Im Gegenteil: In der Religion geht es doch vor allem um Gebote und Gesetze, um: Du sollst und du darfst nicht. Mit Freiheit hat das alles nichts zu tun.

Für die ersten Christen war Freiheit ganz wichtig. Dabei ging es ihnen gar nicht so sehr um die Befreiung von Gesetzen und Geboten.

Sie fühlten sich eher unter dem Diktat von Herrschaftsansprüchen, die sich nicht in Paragraphen ausdrücken. „Mächte und Gewalten“, unsichtbar, aber dennoch sehr wirksam.

Das kann ich gut nachvollziehen. Ich kenne solche Mächte auch. Sie wollen mich beherrschen und es ist schwer, von ihnen loszukommen. Vorurteile und Geltungsbedürfnisse halten mich fest.

Das gilt auch im Weltmaßstab. Die Macht des Mainstream steht da ganz weit oben. Die knallharte Logik von Marktforschung und Statistik, die Herrschaft der Rating-Agenturen und jede Menge Ehrgeiz als Schmiermittel für diesen Betrieb.

Alle diese Mächte sind keine Paragraphen, denen wir uns als Staatsbürger zu unterwerfen haben. Aber: Wie schwer ist es, dagegen anzugehen!

„Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Korinther 3,17), schrieb der Apostel Paulus. Am Pfingstfest feiern wir diesen Geist Jesu Christi und bitten ihn, dass er auch zu uns kommt. Gott schickt den Heiligen Geist, damit ich mich nicht anderen Herren unterwerfe als einem allein: Jesus Christus. Ich darf frei sein – frei von allen Menschen und Mächten, die irgendwelche Herrschaftsansprüche an mich stellen. Keiner außer Christus allein darf mir letzten Endes befehlen, was ich zu tun oder zu lassen habe. Natürlich gibt es Regeln, an die ich mich halten muss. Aber mein Gewissen ist für meine Entscheidungen noch wichtiger.

Innere Unabhängigkeit im Vertrauen auf Gott ist eine Lebenshaltung, zu der der Heilige Geist ermutigen will. Foto: Fotolia

Innere Unabhängigkeit im Vertrauen auf Gott ist eine Lebenshaltung, zu der der Heilige Geist ermutigen will. Foto: fotolia.com

Gleichzeitig darf ich frei sein für andere Menschen, ihnen Gutes tun und zum Leben verhelfen. Der Geist macht mich nicht nur für uns selbst frei, sondern auch für andere. Freiheit ist kein Selbstzweck. Ich bin frei, meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst.

Ich kannte mal eine alte Frau, die in meinen Augen frei war. Wirklich frei. Sie unterwarf sich nicht dem Zwang, so zu sein wie andere. Wenn ich mit ihr redete, äußerte sie unbekümmert und angstfrei ihre Meinung, die nicht unbedingt so wirklich aktuell war. Sie kleidete sich so, dass ich manchmal schmunzeln musste. Und bei Wind und Wetter radelte sie durch die Stadt.

Diese alte Frau war ziemlich frei davon, etwas haben zu müssen. Sie war nicht arm und sie war nicht reich. Sie gab ungewöhnlich viel von ihrem Geld für Bedürftige her, aber sie war keine Asketin, für die Bescheidenheit ein Selbstzweck gewesen wäre. So kleinbemessen ihre Wohnung samt Ausstattung war, so großzügig waren ihre Reisen, die sie fast in alle Welt führten und natürlich Geld kosteten. Leben, Erleben: das war ihr wichtiger, als stationäre Schätze zu sammeln.

Was mir am besten gefallen hat: diese Frau sorgte sich nicht als Allererstes um sich selbst, weder um ihre Selbstverwirklichung noch um ihre Gesundheit. Sie lebte einfach. Sie war oft allein und konnte das gut haben. Aber in Gesellschaft war sie auch sehr angenehm. Sie liebte es, Besuch zu bekommen und Besuche zu machen, und damit teilzunehmen am Leben anderer. Mal dies, mal das, wie es sich ergab. Ich hatte nie den Eindruck, dass sie das eine oder das andere geplant hatte. Ich glaube, sie nahm ihr Leben als Gabe und als Aufgabe aus Gottes Hand. Sie nahm es nicht als Goldmine, die man ausbeuten oder als Wertgegenstand, den man rundum versichern muss.

In ihr habe ich erlebt, wie groß die Freiheit ist, die aus dem Vertrauen auf Gott entsteht. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!“ Freiheit von anderen Herren. Und Freiheit zur Liebe für andere Menschen. Komm Heiliger Geist, komm auch zu mir!

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 23. Mai 2015 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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