Oberbürgermeister Peter Feldmann will die Stadt sozialer gestalten. Dabei baut er auch auf die Kirchen. Ein Gespräch mit Kurt-Helmuth Eimuth.
Herr Oberbürgermeister, Sie haben bei mancher Gelegenheit betont, dass Sie selbst einmal Mitarbeiter des Evangelischen Regionalverbandes waren.
Das ist wahr. Und das war eine sehr gute Zeit, in der ich viel gelernt habe, gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Es ging nicht um Sozialstatistiken oder Organigramme, sondern es ging um Menschen. Ich habe gelernt, dass Sozialarbeit immer ein Wertefundament braucht. Das trägt meine Arbeit bis heute.
Was erwarten Sie als Oberbürgermeister von der evangelischen Kirche?
Dass das Heimatgefühl, das ich damals als Mitarbeiter erlebt habe, nicht nur nach innen, sondern auch gesamtgesellschaftlich trägt. Das heißt, dass die Kirchen insgesamt zu ihrem Wertefundament stehen und es keinem allzu modernen Zeitgeist opfern sollten. Die Botschaft, die wir aus dem Weihnachtsfest mit der Nähe von Mensch zu Mensch mitnehmen, ist eine Aufgabe für das ganze Jahr.
Viele nehmen heute Religion als etwas wahr, das Unfrieden stiftet.
Die Religionen stehen ja erst einmal für Frieden. Schwierig sind nur die, die glauben, sie wissen alleine, wie der Weg zum Frieden auszusehen hat, die keine anderen Ansichten neben der eigenen gelten lassen Das bringt die Konflikte. Sobald zumindest im Umfeld der drei Buch-Religionen, Judentum, Christentum und Islam die Ur-Botschaft der zehn Gebote ernst genommen wird, sind harte, aggressive, gewalttätige Konflikte undenkbar.
Hier in Frankfurt haben wir ja den Rat der Religionen. Wie nehmen Sie ihn wahr?
Das ist eine wunderbare Plattform für den gemeinsamen Diskurs. Ich wünsche mir allerdings mehr gemeinsame Auftritte der Konfessionen in den Kindergärten und Schulen. Damit die nächste Generation weiß, der Jude, der Muslim ist nicht der Feind, sondern auch einer der Guten. Das geht nur, wenn sich die zentralen Vertreter der Religionsgemeinschaften nicht scheuen, auch gemeinsam in Schulen zu gehen und sich gegenseitig unterstützen. Das hat große Symbolkraft. Da bin ich als Oberbürgermeister immer dabei.
Viele rufen aber nach einer stärkeren Trennung von Staat und Kirche.
Diese absolute Säkularität, diese harte Trennung, gefällt mir nicht. Ich finde es sehr schön, wenn beispielsweise der RMV gemeinsam mit den Kirchen für ein Weihnachtsticket wirbt. Das ist eine Zeit der Besinnung, da sollte man seine Familien und Freunde besuchen, das sollte nicht am Geld scheitern. Ich wünsche mir mehr Projekte dieser Art.
Soll der Sonntag als arbeitsfreier Tag weiter geschützt werden?
Absolut. Nicht nur als Sozialdemokrat und Gewerkschafter bin ich dafür. Das Gebot des siebten Tages soll nicht an die Seite gelegt werden.
Sie sind angetreten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Das Thema ist endlich in unserer Stadt zum zentralen Thema geworden. Das hängt natürlich nicht alleine von mir ab. Aber ich bin schon sehr stolz, dass wir die Budgets der Stadt um hundert Prozent gesteigert haben. Geld baut noch keine Wohnungen, ist aber eine Grundlage dafür. Jetzt müssen wir alles tun, um die leidige Diskussion über leer stehenden Büroraum in konkrete Projekte einfließen zu lassen. In der Adickesallee im Februar dieses Jahres oder in der Hahnstraße in der Bürostadt Niederrad im März durfte ich jeweils einen „Baggerbiss“ machen. Baggerbiss bedeutet: Wir reißen Gewerberaum ab, um daraus Wohnraum zu machen!
Es gibt die ersten Projekte im Umland, wo wir auch gemarkungsübergreifend bauen und beispielsweise Studenten Wohnraum außerhalb Frankfurts anbieten. Aber auch mit unserer Nachbarstadt Offenbach sind wir einen Schritt nach vorne gekommen: Die Hafeninsel ist ein tolles Projekt unserer beider Städte.
Welche Pläne verfolgen Sie außerdem noch?
Ein Weg ist eine vorsichtige, sensible Verdichtung. Aber ich möchte auch nicht, dass jeder Hinterhof zugebaut wird. Deshalb trete ich für ein Wohngebiet im Frankfurter Norden ein. Unsere Grünflächen wollen wir nicht aufgeben, doch bei fünfundzwanzig Prozent agrarischen Flächen in der Stadt bestehen Möglichkeiten.
Die Stadt wird immer reicher, aber die Spaltung zwischen arm und reich wird immer größer. Sie haben die Kinderarmut als Skandal bezeichnet.
Ja, da bin ich sehr geprägt von meiner Jugendhauszeit beim Evangelischen Regionalverband. Wenn man erlebt, wie Kinder es empfinden, wenn Gleichaltrige mit besseren Berufs- oder Bildungschancen an ihnen vorbeiziehen, welches Erniedrigungsgefühl, manchmal auch Wut oder Hass daraus entsteht, weiß man, wovon ich spreche.
Bei fünfundzwanzig Prozent armen Kindern bleibt es eine zentrale Aufgabe der Stadt, daran etwas zu ändern. Kinderarmut ist aber auch Elternarmut. Eltern müssen Arbeit bekommen. Hier müsste die Arbeitsmarktpolitik eindeutigere Prioritäten setzen.
Es kommen 1600 Flüchtlinge im Jahr nach Frankfurt. Wie wollen Sie ihnen helfen?
Erst einmal ein großes Kompliment an die Kirchen, die uns beispielsweise mit der Unterbringung in der Gutleutkirche geholfen haben. Das beweist, welch wichtige Rolle die Kirchen in solchen konfliktreichen Situationen haben. Die Menschen, die herkommen, wollen auch Arbeit haben. Hier müssen wir bürokratische Hürden abbauen.
Dann müsste das Arbeitsverbot für Flüchtlinge doch aufgehoben werden.
Absolut. Da bin ich radikal. Wer arbeiten will, soll die Möglichkeit dazu bekommen.
Ihr Thema in diesem Jahr ist die älter werdende Gesellschaft. Warum?
Alles, was die Älteren heute erkämpfen, wird auch in jüngeren Generationen wirksam. Ich habe ein schönes Beispiel. Unsere Wohnungsbaugesellschaften wollen Haltegriffe oder automatisches Licht bei Neu- und Umbauten mit einplanen. Die erste Reaktion kam von Studenten, die das auch für sich ganz praktisch fanden.
Wir werden mit dem Deutschen Seniorentag Anfang Juli ein klares Zeichen setzen: Diese Stadt ist für Senioren nicht nur offen, sondern gehört ihnen auch.
Herr Oberbürgermeister, herzlichen Dank für das Gespräch.