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Von – 20. Juli 2015

Andacht unterm Apfelbaum

Andreas Schneider und sein Obsthof am Steinberg sind weit über den dörflichen Stadtteil Nieder-Erlenbach hinaus bekannt. Jetzt ist der 45-Jährige dort auch im Kirchenvorstand.

„Ich bin ein gläubiger Mensch“ sagt Andreas Schneider. Im April ist er in den Kirchenvorstand der Gemeinde Nieder-Erlenbach gewählt worden. Foto: Rolf Oeser

„Ich bin ein gläubiger Mensch“ sagt Andreas Schneider. Im April ist er in den Kirchenvorstand der Gemeinde Nieder-Erlenbach gewählt worden. Foto: Rolf Oeser

Andreas Schneider steht in festen Arbeitsschuhen unter einem grünen Dach aus Apfelbaumzweigen. „Boskoop“, sagt er und zeigt nach oben. Aus dem Augenwinkel erahnt man die Frankfurter Skyline. Doch die Bankentürme wirken hinter den weiten Erdbeerfeldern im äußersten Nordosten der Mainmetropole wie aus Bauklötzen für Kinder errichtet.

Andreas Schneider und sein Obsthof am Steinberg sind weit über den dörflichen Stadtteil Nieder-Erlenbach hinaus bekannt. An warmen Tagen drängen sich hier Familien und Nordend-Hipster gleichermaßen auf schlichten Holzbänken und genießen Idylle, Schoppen und Bio-Würste.

Aber das Dach aus Boskoop-Zweigen ist etwas Besonderes. „Hier feiern wir Gottesdienste“, sagt der Mann mit dem braunen Pferdeschwanz. Ein leichter Wind weht durchs hohe Gras. Voriges Jahr hat Pfarrerin Petra Lehwalder gefragt, ob die schöne Stelle unter den Boskoop-Bäumen nicht ideal für einen Himmelfahrts-Gottesdienst sei. Das fand An-dreas Schneider auch. „Die Idee schlummerte schon lange in mir.“

Der ökumenische und interreligiöse Dialog im Stadtteil liegt dem 45-Jährigen am Herzen. Auch deshalb, sagt er, habe er sich dieses Frühjahr in den Kirchenvorstand wählen lassen. „Ich bin ein gläubiger Mensch. Das hat mit meiner Konfirmation angefangen. Seitdem gehe ich regelmäßig in die Kirche.“ Der evangelischen Kirche fühlt er sich stark verbunden. „Da geht’s nicht so bappig zu, Toleranz wird gelebt, das gefällt mir.“

Schneider hat den Familienbetrieb 1993 übernommen und im Jahr darauf bereits auf biologischen Anbau umgestellt. Der Hof verfügt heute über Hofladen, Schoppenwirtschaft, Kelterei sowie 15 Hektar Obstwiesen und Felder. Dort pflanzen, pflegen und ernten Andreas Schneider und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als 125 vorwiegend historische Apfelsorten aus dem 16. bis 21. Jahrhundert, hinzu kommen an die 42 Birnen-, 17 Süßkirsch- und 14 Erdbeersorten sowie Quitten, Mirabellen, Johannisbeeren und Mispeln.

Der Schöpfung und ihren Tücken begegnet der Obstbauer täglich. „In der Landwirtschaft lernt man Demut.“ Die diesjährige Erdbeerernte zum Beispiel. „Es hat viel zu wenig geregnet, wir hatten doppelte Arbeit und nur ein Drittel des üblichen Ertrags.“ 2003 hat der Hitzesommer die Landwirte ächzen lassen, 2005 ein Tornado innerhalb von zehn Minuten die gesamte Apfelernte zerstört. Die Natur schickt Plagen. Das hat sich seit biblischen Zeiten nicht geändert. „Ich bin oft im Zwiegespräch mit Gott, am liebsten morgens im Blumengarten“, sagt der Vater zweier Töchter im Teenageralter. „Ich bete für meine Familie, meine Mitmenschen, meine Mitarbeiter und dafür, dass nicht nur meine Bäume, sondern auch Taten und Worte Früchte tragen.“

Die alte Nieder-Erlenbacher Dorfkirche liegt in einem Ring aus Streuobstwiesen. Das gotische Gotteshaus verfügt über einen Turmsockel aus der Zeit um 1400. „Der Obstanbau ist hier so alt wie die Kirche“, sagt Schneider, der seine Entscheidung, es mit der biologischen Landwirtschaft zu versuchen, auch aus seinem Glauben ableitet: „Meine Kinder sollen nicht irgendwann fragen, warum ich nichts dagegen getan habe, dass die Welt kaputt geht.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 20. Juli 2015 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.