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Von – 22. Juli 2015

Margot Käßmann beim Hessischen Sozialforum

Was bedeutet für uns gutes Leben? Auf die Frage des Hessischen Sozialforums hatte Margot Käßmann zunächst eine wenig erbauende Antwort parat. Immer mehr Menschen würden heute nach dem Motto „Ich kaufe, also bin ich“ gehen.

Beim Hessischen Sozialforum in Frankfurt hatte Margot Käßmann auch Zeit für Pausengespräche. Foto: Rolf Oeser

Beim Hessischen Sozialforum in Frankfurt hatte Margot Käßmann auch Zeit für Pausengespräche. Foto: Rolf Oeser

Konsum nehme inzwischen zentralen Stellenwert ein – oft gekoppelt mit einer „Geiz-ist-geil“-Mentalität, kritisierte die Theologin. Sie war nach Frankfurt gekommen, um auf dem von sozialen Initiativen, Gewerkschaften und Kirchen organisierten Forum „Gutes und verantwortliches Leben aus reformatorischer Sicht“ zu erläutern. Dabei erinnerte Käßmann an Martin Luthers Missbilligung von Geiz und Gier: Gutes Leben habe der Reformator nicht mit der Anhäufung von Gütern, sondern mit sozialem Engagement und Gemeinschaftsgeist in Verbindung gebracht. In der protestantischen Theologie, so Käßmann, lägen „die Wurzeln des Sozialstaates“.

Die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017 rückte in Frankfurt ein zweites „ur-reformatorisches Thema“ ins Licht: Bildungsgerechtigkeit. „Luther ging es um einen gebildeten Glauben, der fragt und hinterfragt.“ Er habe gewollt, dass die Menschen selbst die Bibel lesen und alle eine Schulbildung erhalten. Wie Luthers Streben nach sozialer Gerechtigkeit sei auch sein Kampf gegen Bevormundung in der heutigen „Ablenkungsgesellschaft“ frappierend aktuell: Ein 75 Jahre alter Mensch habe in Deutschland statistisch gesehen fast zwölf Jahre seines Lebens vor dem Fernseher gesessen, das Internet ist dabei noch nicht mitgerechnet. Bildung sei außerdem das beste Mittel gegen Fundamentalismen jeder Art.

Etliche von Martin Luthers Ansichten dürften Wasser auf die Mühlen des Hessischen Sozialforums sein. Das Gremium nimmt seit 2005 einmal im Jahr gesellschaftliche und ökonomische Fehlentwicklungen unter die Lupe und lotet politische Alternativen aus, die sich Werten wie Fairness, Teilhabe und ökologische Nachhaltigkeit verpflichten. Darum ging es letztlich auch Martin Luther, er formulierte es nur mit etwas anderen Worten. Für Margot Käßmann ist sein Postulat von der „Freiheit des Christenmenschen“ auf die Freiheit gemünzt, „Verantwortung zu übernehmen und der Gemeinschaft, in der man lebt, zu dienen“. Alle, die sich sozial engagieren, ob die „besenschwingende Magd oder der regierende Fürst“, hätten für den Reformator „ein gutes Leben vor Gott“ geführt.

Wie die Theologin einräumte, forderte Luther allerdings auch Untertänigkeit gegenüber dem Staat. „Es hat lange gedauert, bis der Protestantismus diesen Untertanengeist überwunden hat.“ Ein unpolitischer Mensch sei Luther aber nicht gewesen. Er habe vielmehr all das getan, was heute politisch sein ausmacht: „sich zu engagieren, zu diskutieren, zu streiten und zu handeln“. In diesem Sinne definiert sich für Margot Käßmann gutes Leben aus reformatorischer Sicht nach wie vor: „Menschen, die den Mut haben, widerständig zu sein, sind Menschen, die die Welt verändern können.“

Außerdem folgt ihrem Urteil nach gutes Leben nicht zuletzt einer „Ethik des Genug“. Denn: „Selig sind die Schnäppchenjäger ist ein Satz, der nicht in der Bibel steht.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 22. Juli 2015 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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