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Von – 3. August 2015

Flüchtlinge ziehen aus der Gutleutkirche aus

Die 19 Flüchtlinge, die derzeit noch in der früheren Gutleutkirche im Bahnhofsviertel wohnen, ziehen bis Mitte August in andere Notunterkünfte um, die ihnen der Evangelische Regionalverband in seinen Liegenschaften zur Verfügung stellt. Doch es brauche auch politische Lösungen, zum Beispiel Freizügigkeit für Flüchtlinge innerhalb Europas, sagte Stadtdekan Achim Knecht.

In der Gutleutkirche fanden 22 Afrikaner eine Unterkunft für den Winter. Foto: Rolf Oeser

Schluss mit dem Wohnen hinter Holzbrettern: 19 Flüchtlinge ziehen aus der Gutleutkirche in andere Notunterkünfte um. Foto: Rolf Oeser

Die 19 Flüchtlinge, die derzeit noch in der früheren Gutleutkirche im Bahnhofsviertel wohnen, ziehen bis Mitte August in andere Notunterkünfte um, die ihnen der Evangelische Regionalverband Frankfurt in seinen Liegenschaften zur Verfügung stellt. Die Gutleutkirche wird dann, wie schon lange geplant, an die Stadt Frankfurt übergeben, die sie zu einem Jugendzentrum umbauen will. Dies teilten der evangelische Stadtdekan Achim Knecht und der zuständige Fachbereichsleiter Jürgen Mattis heute bei einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit mit.

Die Vertreter der evangelischen Kirche verbanden das mit einem Appell an die Stadtgesellschaft und an die Politik, das Problem der innereuropäischen Wanderungsbewegungen von Flüchtlingen anzugehen. Denn die derzeitigen staatlichen Hilfsprogramme – etwa ein Anspruch auf Unterkunft – kommen lediglich anerkannten „Kontingentflüchtlingen“ zugute, die nach einem Schlüssel auf die Kommunen verteilt werden. Keine Lösung gibt es hingegen für die vielen Menschen, die in Italien oder Spanien als Flüchtlinge anerkannt wurden, wo es für sie aufgrund der Wirtschaftskrise aber unmöglich ist, eine Arbeit zu finden.

Viele Arbeitsmöglichkeiten in Rhein-Main

„Das Rhein-Main-Gebiet ist für sie sehr attraktiv, weil es hier viele Arbeitsmöglichkeiten gibt und sie deshalb den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien in Afrika verdienen können“, sagte Mattis. Zwar hätten die meisten keine legale Arbeitserlaubnis in Deutschland, sondern könnten formal nur als Touristen einreisen. Es gebe aber eine Nachfrage seitens der Unternehmer, sie hier zu sehr geringen Stundenlöhnen zu beschäftigen, etwa auf dem Bau oder im Dienstleistungsgewerbe.

Unter welch prekären Bedingungen diese Menschen in Frankfurt leben, wurde öffentlich sichtbar, als vor eineinhalb Jahren die Gemeinden Dietrich Bonhoeffer und Cantate Domino in der Nordweststadt spontan 22 afrikanische Männer bei sich aufnahmen, die vorher unter einer Mainbrücke gelebt hatten. Da sich die Kirche Cantate Domino für eine längerfristige Unterbringung nicht eignete, stellte der Evangelische Regionalverband damals die Gutleutkirche zur Verfügung, die zwar schon an die Stadt verkauft war, aber aus organisatorischen Gründen noch nicht umgebaut werden konnte.

Gutleutkirche war von Anfang an eine Notlösung

Doch war die dortige Unterbringung in Holzverschlägen und ohne ausreichende Sanitäranlagen von Anfang an nur eine Notlösung. Durch intensive Einzelfallberatungen und Hilfestellungen konnte inzwischen für die meisten dieser Personen eine Perspektive gefunden werden: Für manche wurden Arbeitsmöglichkeiten in Italien oder Spanien vermittelt, andere kamen in Wohngemeinschaften unter oder fanden selbst Alternativen, und in einigen Fällen konnte auch der Aufenthalt in Deutschland legalisiert werden.

Doch es zeigte sich schnell, dass das Problem viel größere Dimensionen hat: Immer neue Flüchtlinge zogen in die Gutleutkirche ein, zeitweise lebten dort 38 Personen. Die evangelischen Flüchtlings-Beratungsstellen schätzen, dass derzeit mehrere hundert Menschen in einer ähnlichen Situation in Frankfurt leben, sagte Stadtdekan Knecht. Den in der Gutleutkirche bisher untergekommenen Menschen sagte er eine Bleibe bis zum Ende des Winters zu. Man werde sich bemühen, für sie bis dahin noch individuelle Perspektiven zu finden. Doch das Gesamtproblem lasse sich mit Einzelfallhilfen nicht lösen, und schon gar nicht könne der Evangelische Regionalverband Frankfurt das allein stemmen.

Arbeits- und Aufenthaltserlaubniss sind gefragt

Hier müsse es politische Lösungen geben. Deshalb fordert die evangelische Kirche, innerhalb Europas Freizügigkeit für Menschen zuzulassen, die in einem Mitgliedsland als Flüchtlinge anerkannt sind, so Achim Knecht. Kommunale Behörden könnten ihren Ermessungsspielraum ausnutzen, zum Beispiel was die Zuerkennung von Arbeits- und Aufenthaltserlaubnissen betrifft. Diese Forderungen des Frankfurter Stadtdekanats werden auch vom hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung unterstützt, der aus diesem Anlass eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. August 2015 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.