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Von – 15. September 2015

Eine Chance für Gemeinden

Menschen auf der Flucht, Menschen, die Obdach suchen und Schlimmes erlebt haben zu helfen, ist das christliche Kerngeschäft. Selten wollten sich so viele Menschen ehrenamtlich engagieren wie jetzt, in der Flüchtlingskrise.

Anne Lemhöfer. Foto: Ilona Surrey

Anne Lemhöfer. Foto: Ilona Surrey

Die Bilder vom ersten Septemberwochenende waren unglaublich: Hunderte Menschen strömten spät am Abend zum Hauptbahnhof, um Flüchtlinge willkommen zu heißen. Mit Bergen von Lunchpaketen, Plakaten, Beifall. Eine ganz besondere Stimmung, wie sie auch aus anderen Städten berichtet wurde. Die britische Zeitung „Guardian“ mutmaßte sogar, dass bald „Willkommenskultur“ als deutsches Lehnwort ähnlich wie „Wanderlust“ und „Kindergarten“ in fremde Sprachen Einzug halten würde.

Was ist da passiert? Etwas Großartiges, keine Frage. Eine Frage kommt einem aber trotzdem in den Sinn: Wo waren in diesen Tagen die Kirchengemeinden? Ja, sie beschäftigen sich mit dem größten Thema der Gegenwart auf gute Weise: Kirchenasyle in Frankfurt und anderswo und Engagierte, die sich um Menschen und Spenden kümmern. Aber es scheint, als ob die ganz große Welle der Hilfsbereitschaft auf eigentümliche Weise an traditionellen kirchlichen Strukturen vorbeischwappt. Oder einfach zu schnell ist.

In Windeseile bildeten sich Facebook-Gruppen, als klar war, dass da Züge aus Ungarn kommen. Menschen werfen ihre Tagesplanungen um und machen sich zum Bahnhof auf, durchforsten ihre Schränke nach Dingen, die geflohene Menschen aus Syrien, Äthiopien oder Nigeria gebrauchen können. Von jetzt auf gleich. In Frankfurt, Berlin und Hamburg sind es vollkommen spontan handelnde Ehrenamtliche mit ganz unterschiedlichen sozialen und religiösen Hintergründen, die sich kümmern, die Essen kochen und Behördengänge mit Asylsuchenden unternehmen, die Windeln kaufen, dolmetschen und Deutschstunden abhalten, die ohne groß zu überlegen eigene Strukturen auf Zeit schaffen.

Menschen auf der Flucht, Menschen, die Obdach suchen und Schlimmes erlebt haben zu helfen, ist das christliche Kerngeschäft. Selten wollten sich so viele Menschen ehrenamtlich engagieren wie jetzt, in der Flüchtlingskrise. Das ist eine Riesenchance für Gemeinden. Doch es gilt, spontan zu sein. Der Gemeindebrief kann mit den sozialen Netzwerken nicht mithalten. Es wäre doch schön, wenn die vielen Bürgerinnen und Bürger, die etwas tun wollen, mit ihrer Hilfsbereitschaft bei der Kirchengemeinde in ihrem Stadtteil andocken könnten. Wer einmal die überwältigende Erfahrung gemacht hat, zusammen mit anderen eine spontane Hilfsaktion auf die Beine zu stellen, bleibt vielleicht auch über den Tag hinaus.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 15. September 2015 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.