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Von – 21. Oktober 2015

Bibel lesen leicht gemacht mit „Luthers Meisterwerk“

Bis heute werfen wir in Deutschland Perlen vor die Säue, tappen im Dunkeln, stehen anderen mit Rat und Tat zur Seite oder sind krank vor Liebe. Und das alles nur wegen Luthers Bibelübersetzung.

"Luthers Meisterwerk - ein Buch wie eine Naturgewalt" ist der Titel einer Sonderausstellung im Bibelhaus zum Themenjahr "Bild und Bibel". Die Ausstellung zeigt bibliophiler Kostbarkeiten, darunter eine Gutenberg-Bibel und eine Erstausgabe von Luthers Bibelübersetzung, das so genannte "Septembertestament". Foto: Rolf Oeser

„Luthers Meisterwerk – ein Buch wie eine Naturgewalt“ ist der Titel einer Sonderausstellung im Bibelhaus (Metzlerstraße 19) noch bis Ende des Jahres. Zu sehen sind bibliophile Kostbarkeiten, darunter eine Gutenberg-Bibel und eine Erstausgabe von Luthers Bibelübersetzung, das so genannte „Septembertestament“.
Foto: Rolf Oeser

Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie oft sie im Alltag Luther zitieren: Ob „Perlen vor die Säue werfen“ (Bergpredigt), „Mir stehen die Haare zu Berge“ (Hiob) „im Dunkeln tappen“ (Mose) oder „krank vor Liebe sein“ (Hohelied der Liebe) – das Deutsche ist voll von Metaphern und Redewendungen, die ursprünglich aus der Lutherbibel stammen. Dasselbe gilt auch für Reimbildungen wie „Rat und Tat“ oder „schlecht und recht“ und Wortpaare wie „Milch und Honig“ oder „Mark und Bein“.

Luthers Metaphern sind auch deshalb so eingängig, weil sie sofort ein Bild im Kopf entstehen lassen. Wortschöpfungen wie „ausposaunen“ oder „Feuertaufe“, „Machtwort“ oder „Schandfleck“, „Lästermaul“ oder „Lockvogel“ sind unmittelbar anschaulich. Aber auch der Sprachrhythmus von Luthers Bibelübersetzung ist besonders: Er übersetzt zum Beispiel nicht „Ihr werdet den Säugling gewickelt und in einem Futtertrog liegend finden“, sondern „Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen“ – ein solcher Rhythmus ist wie geschaffen für das laute Sprechen und das Hören, er macht die poetische Kraft und Einprägsamkeit vieler Verse der Lutherbibel aus.

In nur elf Wochen das neue Testament übersetzt

Luther wollte, dass alle Menschen die zentrale Botschaft des Evangelium verstehen, die für ihn lautete: Gottes Liebe muss man sich nicht verdienen; sie ist ein Geschenk. Das war sein Antrieb, als er im Dezember 1521 auf der Wartburg mit der Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche anfing. Eine Herkulesaufgabe, die er in nur elf Wochen stemmte. Kurz vor der Buchmesse 1522 erschien das so genannte „Septembertestament“, Luthers erste Bibelübersetzung. Bis zum Ende seines Lebens hat er sie immer wieder überarbeitet.

Als Vorlage diente ihm der griechische Originaltext, den Erasmus von Rotterdam herausgeben hatte. Zusätzlich kannte Luther als Mönch auch die gängige lateinische Bibelübersetzung, die „Vulgata“. Von ihr gab es damals schon einige deutsche Übersetzungen, die jedoch nur als Verständnis- und Auslegungshilfe für Geistliche gedacht waren. Mit ihrer gestelzten Sprache waren sie nahezu unverständlich.

Luther dagegen war der Ansicht: „Man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und auf das Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen, so verstehen sie es denn und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet.“ Er selbst war für diese Arbeit geradezu prädestiniert, denn er war gewissermaßen „zweisprachig“ aufgewachsen: Luthers Mutter stammte aus „Oberdeutschland“, sein Vater aus „Niederdeutschland“, wo jeweils sehr unterschiedlich gesprochen wurde.

Gehobene Prosa: lebensnah, volkstümlich, bildhaft

Die Sprache von Luthers Bibelübersetzung ist lebensnah, volkstümlich und bildhaft, aber keine Alltagssprache. „Luther hat die Sprache des Alltags in gehobene Prosa verwandelt“, sagt Pfarrer Veit Dinkelaker, theologischer Referent im Bibelmuseum. „Er war rhetorisch geschult, seine Sprache ist griffig und gut zu merken.“

Da inzwischen aber 500 Jahre vergangen sind, klingt heute das Luther-Deutsch für viele Menschen wieder fremd, auch wenn die Originalfassung bei zahlreichen Revisionen immer wieder vorsichtig überarbeitet wurde. Dennoch ist es nicht sinnvoll, jede Fremdheit von Luthers Sprache für heutige Ohren auszumerzen. Es lohne sich vielmehr, sich dieser Fremdheit zu stellen, sagte Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, bei der Ausstellungseröffnung. Gerade eine etwas altertümliche Sprache könne ein Bibelwort nämlich auch besser zugänglich machen.

Als Beispiel nannte er einen seiner persönlichen Lieblingstexte, Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Auch wenn niemand mehr so spricht, entfalte dieser Satz doch eine völlig andere Kraft als als eine heute geläufigere Formulierung wie etwa „Er wird meinen Bedarf stillen“, davon ist Bedford-Strohm überzeugt. Eine Zusage wie „Mir wird nichts mangeln!“ hätte hingegen eine unmittelbare poetische Wirkung: „Wenn ich nachts manchmal nicht schlafen kann, trösten mich genau diese Worte.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 21. Oktober 2015 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".