Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 9. Oktober 2015

Luther und der Islam

Martin Luther hatte falsche Vorstellungen vom „Türken“, aber das Islambild, das in den heutigen Medien vermittelt wird, ist auch sehr einseitig.

Foto: Sascha Willms/epd-Bild

Foto: Sascha Willms/epd-Bild

Martin Luther fand die „Papisten“ noch schlimmer als die „Türken“ –  sein Äquivalent für „Muslime“. Denn Papisten (abwertend für: Katholiken) waren ja Christen, mussten seiner Meinung nach also wissen, dass man weder durch Äußerlichkeiten noch durch Einhaltung der Gesetze das für ihn so zentrale Seelenheil erlangt, sondern nur durch richtiges Verstehen der Bibel (sola scriptura). Diesen Zusammenhang erläuterte Athina Lexutt, evangelische Theologin an der Universität Gießen, bei einer Veranstaltung über Luther und den Islam im Bibelhaus Museum.

Luther, sagte Lexutt, war geprägt von den Vorstellungen und Bildern, die im 16. Jahrhundert über Türken kursierten: Angeblich spießten sie gerne Köpfe und kleine Kinder auf. Neben solchen Fantasiebildern gab es aber auch eine reale Bedrohung: 1529 standen die Türken vor Wien. Luther schrieb im selben Jahr „Vom Kriege wider den Türken“ und ein Jahr später seine „Heerpredigt wider den Türken“. Darin, erläuterte die Kirchengeschichtlerin, fand aber keineswegs eine theologische Auseinandersetzung mit dem Islam statt. Türken waren für Luther einfach Heiden, die einem Irrglauben anhingen. Türken, Papst und Juden standen für ihn auf einer Stufe: Sie waren Antichristen, Feinde Christi, und verhinderten das Seelenheil.

Die „Türkenkriege“ spielten der Reformation in die Hände

In Polemiken gegen Luther wurde er selbst wiederum manchmal als Türke mit Turban dargestellt – also als Heide. Ironie der Geschichte ist, so Lexutt, dass die Türkenkriege der Reformation in die Hände spielte. Kaiser Karl V. konnte es sich nicht leisten, seine evangelischen Fürsten gegen sich aufzubringen: Er brauchte jeden Mann, um die Osmanen aufzuhalten.

Gegen Ende seines Lebens lag Luther ein ins Lateinische übersetzter Koran vor, den er übersetzen wollte. Allerdings nur, um zu zeigen, dass „Mythen, Fabeln und Greuelgeschichten“ darin ständen, sagte Lexutt. Als die Türken 1543 noch einmal vor Wien standen, schrieb er eine „Vermahnung zum Gebet gegen Türken“. Verbittert, wie er im Alter gewesen sei, habe er darin aber vor allem die Verfehlungen der Christen angeprangert.

Bis heute: kaum Berichte über normales muslimisches Leben

Im Gegensatz zu den judenfeindlichen Äußerungen Luthers, die im Nationalsozialismus eine entsetzliche Renaissance feierten, hat sein Türkenbild in der Moderne keine Auswirkungen gehabt. Riem Spielhaus, Islamwissenschaftlerin an der Universität Erlangen, ging in einem zweiten Vortrag auf das Islambild in den heutigen Medien ein. Kaum jemand wisse, dass die Mehrheit der Migranten und Migrantinnen in Deutschland nicht muslimisch sind. Seit etwa 15 Jahren gebe es in Deutschland fünf dominante Narrative des Islam gibt, also Rahmen, innerhalb derer sich die Berichterstattung in den Medien abspielt: der Aufstieg des Fundamentalismus, der Niedergang des „schönen“ alten Orient, der Clash of Civilization, also das Aufeinandertreffen von Ost und West, Probleme der Integration, und schließlich die Diskriminierung der Muslime.

Berichte über normales islamisches Leben gebe es stattdessen fast nicht, kritisierte Spielhaus. Immer wieder werde gefordert, dass Muslime sich von gewalttätigen Aktionen distanzieren sollten. Das geschehe auch sehr häufig, aber solche Bilder und Texte gelangten dann kaum an die Öffentlichkeit. Das liege nur teilweise daran, dass islamischen Verbände nicht so gute PR-Abteilungen hätten. Journalisten müssten noch viel mehr hinterfragen, welche Bilder sie über des Islam verbreiteten.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 9. Oktober 2015 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".