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Von – 8. Oktober 2015

Mangel an bezahlbarem Wohnraum: „Der Markt regelt nichts“

An diesem Punkt waren sich der Oberbürgermeister und der Gentrifizierungsforscher einig: „Der Markt“ wird die zunehmende Wohnungsnot in Frankfurt nicht beseitigen. Aber wie sollen neue Wege in der Wohnungspolitik aussehen?

Diskutierten über Wohnungspolitik in Frankfurt: Moderator Peter Hanack von der Frankfurter Rundschau, der Sozialwissenschaftler und Wohnraumpolitik-Experte Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität, und der Geschäftsführer des Frankfurter Mieterschutzvereins, Rolf Janßen (von links nach rechts). Foto: Antje Schrupp

Diskutierten über Wohnungspolitik in Frankfurt: Moderator Peter Hanack von der Frankfurter Rundschau, der Sozialwissenschaftler und Wohnraumpolitik-Experte Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität, und der Geschäftsführer des Frankfurter Mieterschutzvereins, Rolf Janßen (von links nach rechts). Oberbürgermeister Peter Feldmann war hier schon beim nächsten Termin. Foto: Antje Schrupp

Es müssen politische Maßnahmen ergriffen werden, damit Menschen in Frankfurt Wohnraum zu erschwinglichen Mieten finden können. Wie die jedoch aussehen könnten, darüber bestand zwischen Oberbürgermeister Peter Feldmann und dem Sozialwissenschaftler und Experten für Wohnungspolitik Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität schon weniger Einigkeit. Beide sprachen auf Einladung der Sozialpolitischen Offensive aus Kirchen und Gewerkschaften im Haus am Dom über „Neue Wege in der Wohnungspolitik“.

Zuzug nicht der Hauptgrund für Wohnungsmangel

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist der wachsende Zuzug in die Großstädte nach Ansicht von Andrej Holm, der die Entwicklung seit Jahrzehnten erforscht, nicht der hauptsächliche Grund für den Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Sondern dieser Mangel werde künstlich erzeugt, um die Renditen in der Immobilienspekulation zu erhöhen. So sei ja schon lange bekannt, dass in den Metropolen Wohnraum fehlt. Aber anstatt deshalb in Neubauten zu investieren, wie man es bei einem funktionierenden Markt erwarten könnte, sei systematisch immer mehr Geld in Bestandsspekulationen geflossen.

Das heißt, Immobilienfonds geben ihr Geld nicht für Neubauprojekte aus, sondern stecken es in Sanierungsvorhaben, weil dort größere Gewinne zu erzielen sind. Auf diese Weise werden kostengünstige Wohnungen systematisch teurer gemacht. Das Verhältnis von Neu-Investitionen zu Bestandsspekulation sei von ehemals 1:3 auf inzwischen 1:9 gestiegen. Deshalb gebe es kein Interesse daran, den Mangel an Wohnraum zu beseitigen, denn dieses Profitmodell basiert ja auf der Knappheit.

ABG-Holding soll zu hundert Prozent günstig vermieten

Skeptisch sieht Holm kommunalpolitische Maßnahmen, die versuchen, mit Hilfe von Förderprogrammen oder Marktanreizen Investoren dazu zu bringen, sozialverträglich zu bauen. München versuche das schon seit längerer Zeit ziemlich konsequent, das habe aber den Wohnungsnotstand nicht lindern und den Preisanstieg bei Mieten nicht bremsen können. „Soziale Wohnungsversorgung kann nur gegen private Renditeerwartungen durchgesetzt werden“, so Holms Einschätzung. „Wir müssen aus der Marktlogik aussteigen.“

Möglichkeiten zu politischer Gestaltung hätten Städte zum Beispiel in der Liegenschaftspolitik und über kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Die stadteigene ABG-Holding etwa vermiete in Frankfurt 50.000 Wohnungen. „Die müssten nicht zu dreißig Prozent günstige Mieten haben, sondern zu hundert Prozent“, sagte Holm. Ebenso dürften städtische Liegenschaften nicht einfach nach Höchstpreis verkauft werden, sondern müssten im Hinblick auf soziale und politische Vorhaben verpachtet werden, zum Beispiel an alternative Wohnungsbauprojekte.

Feldmann für mehr Wohnraum in Randgebieten

Oberbürgermeister Peter Feldmann hingegen setzte in seinem Beitrag vorwiegend auf den Neubau von Wohnungen. Ausdrücklich verteidigte er noch einmal seine Überlegungen, Ackerflächen im Umland zu Wohngebieten zu machen. Außerdem plädierte er für gemeinsame Infrastrukturen mit den umliegenden Kommunen und für eine Aufwertung der städtischen Randgebiete. „Von der Innenstadt aus gesehen galten früher auch das Nordend und das Westend als Trabantenstädte, und heute sind das heiß begehrte Lagen“, so Feldmann. Ähnliches könne in der Zukunft doch auch für Stadtteile wie Fechenheim oder Unterliederbach gelten.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 8. Oktober 2015 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

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