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Von – 17. Februar 2016

Glauben auf Äthiopisch

Gudetu Etichu engagiert sich gleich in zwei Kirchenvorständen: in der äthiopischen Oromo-Gemeinde und in der Christus-Immanuel-Gemeinde. Beide sind im Ökumenischen Zentrum Christuskirche im Westend zuhause. 

Brückenbauerin zwischen äthiopischer und deutscher Kultur: Die Ärztin Gudetu Etichu im Ökumenischen Zentrum Christuskirche. Foto: Rolf Oeser

Brückenbauerin zwischen äthiopischer und deutscher Kultur: Die Ärztin Gudetu Etichu im Ökumenischen Zentrum Christuskirche. Foto: Rolf Oeser

„Hier fühle ich mich zuhause“, sagt Gudetu Etichu, „das ist meine Herkunft, meine Identität.“ Die Rede ist von der äthiopischen Oromo-Gemeinde im Ökumenischen Zentrum Christuskirche am Beethovenplatz. „Unser Gottesdienst beginnt sonntags um ein Uhr und dauert zwei Stunden. Mindestens fünfzig Menschen nehmen teil, es werden Gospels aus meiner Heimat gesungen, und viele bereiten die Predigt mit vor“, sagt die 37 Jahre alte Ärztin, und fügt gleich hinzu: „Wenn Sie mal teilnehmen wollen, sind Sie herzlich eingeladen!“

Schon als Kind wollte Gudetu Etichu Medizin studieren. „Ärztin ist in Afrika und auch unter den Oromo, der größten Volksgruppe Äthiopiens, ein sehr angesehener Beruf.“ Dass ihr Onkel eine deutsche Frau geheiratet hatte und in Berlin lebte, war ihre Chance: 1997, mit 19 Jahren, ging Etichu zum Studium nach Deutschland.

Schon als Kind war sie über ihre beste Freundin zur evangelischen Mekane Yesus Gemeinde gekommen. In Berlin schloss sie sich der dortigen Oromo-Gemeinde an, während des Medizinstudiums in Göttingen, wo es keine Oromo-Gemeinde gab, war sie in der evangelischen Studierendengemeinde aktiv. „Mein Glaube“, sagt sie, „ist fest. Er trägt mich, und ich versuche, danach zu leben.“ Bei ihrer ersten Stelle als Ärztin in einer Kinderklinik in Salzgitter hatte Etichu keinen Kontakt zu einer Gemeinde und vermisste Menschen aus ihrer Heimat. Dann hörte sie über Freunde von der Oromo-Gemeinde in Frankfurt. Sie bewarb sich in der Kinderklinik Offenbach und zog ins Rhein-Main-Gebiet.

Mittlerweile arbeitet Etichu als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin im Gesundheits- und Pflegezentrum Rüsselsheim. Sie liebt die kleine Klinik und die Arbeit mit den Kindern. „Dabei geht mein Herz auf“, sagt sie. „Und ich habe unter den Kollegen Freude und Freundinnen und auch sonst Freunde unterschiedlicher Nationalität.“ In Afrika seien aber die Familienbande viel stärker. „Und man kennt alle Nachbarn und unterstützt sich gegenseitig. Die Leute leben nicht so isoliert wie hier.“

Trotz Schichtdienst ist Etichu seit knapp einem Jahr Mitglied im Ältestenrat der Frankfurter Oromo-Gemeinde und seit September auch im Kirchenvorstand der Christus-Immanuel-Gemeinde, die ebenfalls in der Christuskirche zuhause ist. Schon seit den 1970er Jahren ist das Ökumenische Zentrum mitten im Westend ein Ort der Begegnung für christliche Gemeinden unterschiedlicher kultureller Herkunft. „Dass Frau Etichu bei uns im Kirchenvorstand mitarbeitet, ist sehr kostbar“, freut sich Pfarrerin Gisela Egler-Köksal. „Mit ihrem Engagement und ihren guten Deutschkenntnissen ist sie eine wichtige Brückenbauerin.“

Auch privat lässt Etichu die Brücken nicht abreißen: Mindestens einmal im Jahr fährt sie nach Afrika. Sie freut sich, dass inzwischen auch ihre jüngere Schwester Negasse bei ihr in Rödelheim lebt, die Mathematiklehrerin werden möchte. An Deutschland schätzt Etichu die Rechtssicherheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Äthiopien ist nur vordergründig eine Demokratie“, sagt sie. „Wenn man seine Meinung sagt, kann man ins Gefängnis kommen. Das ist sehr traurig.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 17. Februar 2016 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".