Mitglied in der Kirche zu sein stärkt die Demokratie – auch dann, wenn man vielleicht gar nicht an Gott glaubt. Denn entscheidend ist, was „hinten raus” kommt.
Muss man an Gott glauben, um Mitglied in der Kirche zu sein? Nein, meinte kürzlich eine Autorin der „Zeit“ und nannte den Kircheneintritt – oder den in eine andere liberale Religionsgemeinschaft – als einen von zehn Punkten, mit denen Einzelne die Demokratie stärken können. Und zwar auch, wenn sie die jeweiligen Glaubensüberzeugungen gar nicht teilen.
Tatsächlich muten so manche christlichen Glaubenssätze etwas weltfremd und speziell an: Ein Schöpfergott, eine um Kreuz und Auferstehung kreisende Theologie und eine Vorstellung von den letzten Dingen, die zu schön scheint, um wahr zu sein. Selbsterklärend und überzeugend ist allerdings, was bei der Theologie „hinten raus” kommt: Ein Menschenbild, das unlösbar mit dem Begriff der Würde verbunden ist. Eine klares Eintreten für Gerechtigkeit. Und eine Vorstellung von der Zukunft, die gegen den Fatalismus mobilisiert.
Die christliche Botschaft handelt von Wegen zum Frieden, von der Kraft der Versöhnung und der Macht der Liebe. Das alles braucht eine humane Gesellschaft, die rechtspopulistischen Versuchungen ebenso widerstehen will wie Hassparolen religiöser Extremisten und Versuchen der Wirtschaft, Menschen zu Rädchen im Getriebe und Konsumenten zu degradieren.
Chancenungleichheit und Armut gefährden die Demokratie. Und die Kirche stärkt die, die zu kurz zu kommen drohen. Nicht, weil das in einem politischen Programm niedergelegt ist, das schon morgen überholt sein kann, sondern aus Prinzip. Sie ist sich das schuldig, wenn sie sich an der Bibel ausrichtet.
Die wachsenden autokratischen Strukturen in den westlichen Demokratien erfordern einen energischen Ruf zur Mäßigung. Die Kirche hat darin lange Erfahrung. Damit ihr Rufen nicht verhallt, braucht sie Mitglieder. Die Kirchensteuer gibt ihrem Eintreten für die Schwachen Gewicht. Schon das ist es wert, Mitglied zu sein – selbst wenn sich manche Glaubenswahrheiten nicht auf Anhieb erschließen.