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Aktuell

Von – 25. Februar 2017

Niemöllers Vermächtnis: Wehret den Anfängen!

Martin Niemöller, der erste Kirchenpräsident der hessen-nassauischen Landeskirche, wäre in diesem Jahr 125 Jahre alt geworden. Die Themen, die ihn bewegten, sind leider aktueller denn je.

Martin Niemöller 1956 beim Kirchentag in Frankfurt.

Als Adolf Hitler Anfang 1933 zum deutschen Reichskanzler gemacht wurde, freute sich Martin Niemöller. Der Berliner Pfarrer und Kriegsveteran hatte schon seit 1924 die NSdAP gewählt. Wie viele bürgerlich-national denkende Konservative konnte er den Nazis viel Positives abgewinnen: Sicher, sie traten polternd auf, aber sie sprachen auch Probleme an, die die anderen Parteien ignorierten. Ja, die Raufbolde von der SA prügelten sich mit den Kommunisten, aber die Kommunisten waren doch mindestens genauso schlimm. Nazis überfielen jüdische Geschäfte, aber die Juden hätten sich ja auch besser integrieren können.

Dass die Nationalsozialisten nicht nur dem Establishment eine Lektion erteilen, sondern ein paar Jahre später Konzentrationslager bauen und den Mord an Millionen Menschen industriell organisieren würden, dass sie der Welt den schrecklichsten aller Kriege bringen würden, das hätten im Jahr 1933 die meisten Deutschen für ausgeschlossen gehalten. Nicht, weil es nicht vorstellbar gewesen wäre, andere haben es ja sehr wohl vorhergesehen. Aber das deutsche Bürgertum brauchte bis 1936, manche sogar bis 1939, um zu kapieren, was vor ihren Augen geschah.

„Als sie die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Dieser Niemöller zugeschriebene Spruch, auch wenn er ihn wohl so nie formuliert hat, beschreibt gut, warum es bei ihm zu einem Sinneswandel kam.

Nach dem Krieg setzte sich Martin Niemöller für ein kirchliches Schuldeingeständnis ein und prägte als Kirchenpräsident die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als linke, pazifistische Landeskirche. Er tat alles dafür, dass sich so etwas wie der Faschismus nie mehr wiederholt.

Und heute? Im Januar feierte die EKHN in Frankfurt Niemöllers 125. Geburtstag. Und es stand spürbar im Raum, wie aktuell diese Themen derzeit leider wieder sind. Rechtspopulistische Parteien, deren Mitglieder offen Naziparolen ausgeben, werden in ganz Europa und den USA stärker. Viele Menschen fragen sich: Ist es wieder so weit? Sind Demokratie, Menschenrechte und tolerante Gesellschaften ernsthaft in Gefahr?

„Ruhigbleiben ist so 1933“ twitterte die jüdische Politikerin Marina Weisband etwas sarkastisch. Oder ist das nur Panikmache, und es wird alles nicht so schlimm kommen? Das kann man eben jetzt noch nicht wissen. Wie die Zukunft wird, hängt nämlich davon ab, was wir heute tun. Sicher ist nur: „Wehret den Anfängen“ bedeutet nicht, erst dann aktiv zu werden, wenn der Faschismus offensichtlich am Ruder ist. Sondern bereits dann, wenn wir nicht mehr hundertprozentig ausschließen können, dass diese Gefahr besteht.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 25. Februar 2017 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.