Mit ihrer Befürwortung organisierter Sterbehilfe hat Anne Schneider, die Frau des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Debatten um eine christlich fundierte Position zum assistierten Suizid neu entfacht.
Bei Anne Scheider war Anfang Juli Brustkrebs diagnostiziert worden. Kurz darauf kündigte ihr Mann Nikolaus an, im November von seinem Amt als Ratsvorsitzender der EKD vorzeitig zurückzutreten, um ihr in der Krankheit zur Seite stehen zu können.
In einem Interview, das das Paar kurz darauf der „Zeit“ gab, trugen die Schneiders ihre unterschiedlichen Auffassungen zum Thema Sterbehilfe in bester protestantischer Streitkultur öffentlich aus. Anne Schneider, die ebenfalls Theologin ist, sagte: „Ich hoffe, wenn ich selber an den Punkt kommen sollte, sterben zu wollen, dass mein Mann mich dann in die Schweiz begleitet. Dass er neben mir sitzen und meine Hand halten würde, wenn ich das Gift trinke. Auch wenn es seiner theologisch-ethischen Überzeugung widerspricht. Ich hoffe, dass dann die Liebe stärker ist.“
Nikolaus Schneider ist als Pfarrer und Kirchenrepräsentant immer strikt für ein Verbot der organisierten Sterbehilfe eingetreten. Im Interview umriss er diese Position so: „Beim Sterben jede Hilfe. Aber nicht zum Sterben.“ Anne Schneider hält das für eine „Elfenbeinturm-Unterscheidung“, wie sie sagte. Beim Sterben zu helfen könne auch heißen, dass man den Sterbeprozess beschleunigt. „Dann ist es auch eine Hilfe zum Sterben. Das lässt sich gar nicht trennen.“
Zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen gehöre für sie eine Gestaltungsfreiheit von Anfang bis Ende dazu: „So wie ich die katholische Position gegen die Geburtenverhütung ablehne, so sehe ich es als Teil meiner Verantwortung, dass ich auch entscheiden darf: Jetzt gebe ich mein von Gott geschenktes Leben dankbar an ihn zurück.“
Obwohl Nikolaus Schneider diese Position seiner Frau nicht teile, sagte er im Interview, am Ende würde er sie „wohl gegen meine Überzeugung aus Liebe begleiten“. Die prinzipielle Ablehnung organisierter Sterbehilfe ist aber weiterhin die offizielle Position der evangelischen Kirche. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung lehnt eine gesetzliche Öffnung in Richtung der aktiven Strebehilfe „vor allem zum Schutz vor einem möglichen Missbrauch“ ab. Der Bundestag wird im Herbst nächsten Jahres über das Thema entscheiden.
Gleichwohl herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Kirche nicht das Recht hat, Menschen, die sich anders entscheiden, moralisch zu verurteilen. Zumal Anne Schneider mit ihrer Ansicht nicht alleine ist, sondern in der Bevölkerung und auch unter Kirchenmitgliedern breite Zustimmung findet.